Ab 2014 soll Afghanistan selbst Verantwortung übernehmen

Ab 2014 soll Afghanistan selbst Verantwortung übernehmen
Afghanistans Regierung soll schon bald selbstständig für die Sicherheit des von Konflikten erschütterten Landes sorgen. Die internationale Afghanistan-Konferenz in Kabul beschloss am Dienstag einen entsprechenden Zeitplan. Kritikern geht dieser Prozess zu schnell.

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, die Konferenz sei der Beginn einer "neuen Phase, nicht das Ende unseres Engagements". Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Die Konferenz sei positiv verlaufen, es sei gut, dass jetzt ein Zeitplan stehe.

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen waren rund 40 Außenminister und weitere hochrangige Politiker in Kabul zusammengekommen, um über die Zukunft des Landes zu beraten. Für Deutschland nahm Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an der Konferenz teil. Es war das erste Mal seit über 30 Jahren, dass Kabul eine so hochkarätig besetzte Versammlung beherbergte. Große Teile der Stadt und der Flughafen waren gesperrt.

Fast drei Viertel des Landes unter fundamentalistischer Kontrolle

"Ich bleibe dabei, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ab 2014 für alle militärischen und polizeilichen Operationen im ganzen Land verantwortlich sein sollen", sagte Afghanistans Präsident Hamid Karsai bei der Eröffnung der Konferenz. Derzeit sind rund 130.000 ausländische Soldaten am Hindukusch stationiert.

Kritiker glauben jedoch, dass die Sicherheitskräfte Afghanistans noch lange nicht in der Lage sind, für Frieden und Stabilität zu sorgen. Etwa 70 Prozent des Landes am Hindukusch werden von den aufständischen Taliban kontrolliert. Am Morgen beschossen sie den Flughafen mit Raketen. Einge Flugzeuge von Konferenzteilnehmern mussten umgeleitet werden.

Karsai forderte zudem, dass der afghanischen Regierung die Kontrolle über mehr Hilfsmittel aus dem Westen in Milliardenhöhe zugestanden werde. Bislang werden nur etwa 20 Prozent der Hilfsgelder für den Aufbau des bettelarmen Landes durch den afghanischen Staat selbst verwaltet. Afghanistan gilt als eines der korruptesten Länder der Erde.

"Schritt kommt zu früh"

Der Westen übt seit längerem Druck auf Präsident Karsai aus, härter gegen Bestechung und Veruntreuung vorzugehen. Um die Regierung in Kabul zu stärken, soll der Anteil der selbstverwalteten Hilfsmittel in den kommenden zwei Jahren auf 50 Prozent steigen. Karsai appellierte an die internationale Gemeinschaft, an diesem Ziel festzuhalten. Er gestand jedoch ein, dass die Regierungsfähigkeit des Landes verbessert werden müsse.

Es sei richtig, der afghanischen Regierung die Verantwortung für die Sicherheit zu übergeben, sagte Monika Hauser, Gründerin des Hilfswerks Medica Mondiale. "Allerdings kommt dieser Schritt zu früh und ist derzeit nicht zu verantworten", betonte sie in der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 21. Juli). Noch gebe es keine tragfähigen staatlichen Strukturen, sagte Hauser, deren Organisation in Afghanistan traumatisierten Mädchen und Frauen hilft.

Forderung: zivilen Aufbau nicht vernachlässigen

Um eine größere Stabilität zu erreichen, forderten Politiker wie Tom Koenigs (Grüne) und Elke Hoff (FDP), die Nachbarländer wie Pakistan und den Iran in den Prozess einzubinden. Die Bedeutung der anderen Länder für die Entwicklung der Region sei falsch eingeschätzt worden, erläuterte Hoff im Südwestrundfunk.

Derweil kritisierte der Präsident von Caritas international, Peter Neher, erneut das Konzept von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), wonach militärisches Handeln und ziviler Aufbau in Afghanistan systematisch miteinander verzahnt werden sollen. Sicherheitspolitische Erwägungen könnten niemals der Maßstab für das Handeln des Hilfswerks sein, sagte Neher. Niebel hatte zusätzliche zehn Millionen Euro für Hilfswerke in Aussicht gestellt, die mit dem Militär zusammenarbeiten. Neher sagte, Caritas werde keine Mittel davon beantragen.

Gegen Korruption und für Integration der Taliban

Die Staatengemeinschaft bekräftigt ihren Willen, 50 Prozent der Entwicklungshilfe durch die afghanische Regierung verteilen zu lassen. Als Bedingung dafür werden aber unter anderem Reformen im Finanzsektor und eine wirksame Korruptionsbekämpfung genannt.

Zur Streichung von radikalislamischen Taliban von der UN-Terrorliste heißt es im Abschlussdokument, dies solle "in einem auf Beweisen beruhenden und transparenten Prozess" in Abstimmung zwischen dem UN-Sicherheitsrat, der afghanischen Regierung und der internationalen Staatengemeinschaft erfolgen.

Das auf der letzten Afghanistan-Konferenz in London auf den Weg gebrachte Aussteigerprogramm für Taliban-Kämpfer wurde konkretisiert. Die afghanische Regierung will in den nächsten fünf Jahren 36.000 Aufständische in die Gesellschaft reintegrieren. Dafür sollen nach Vorstellung der afghanischen Regierung 773 Millionen US-Dollar (594 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt werden. 50 Millionen Euro will die Bundesregierung beisteuern. 

epd/dpa