Vaginalgel kann Frauen offenbar vor HIV schützen

Vaginalgel kann Frauen offenbar vor HIV schützen
Frauen können auf einen neuen Schutz gegen Aids hoffen: Forscher in Südafrika wiesen erstmals die Wirksamkeit eines Gels nach, das Viren in der Vagina stoppt.

Das Ergebnis wurde am Dienstag auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien als Durchbruch gewertet. In einem Test mit rund 900 Frauen sank die HIV-Infektionsrate um fast 40 Prozent. Am Abend wurden in Wien 20.000 Teilnehmer zu einem "Marsch für Menschenrechte" erwartet.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnete das Test-Ergebnis des Mikrobizid-Gels als bahnbrechend. "Wir geben Frauen Hoffnung", sagte der Leiter des UN-Aidsprogramms (UNAIDS), Michel Sidibé. Wenn sich die Wirksamkeit bestätigt, könnten sich Frauen selbst in einem gewissen Maß vor Aids schützen, auch wenn ihre Männer Kondome ablehnen. Um die Forschung zu beschleunigen, setzten die WHO und UNAIDS eine Expertenkonsultation für August an.

Hälfte der Infizierten sind Frauen

Auch der deutsche Aids-Mediziner und Theologe Christoph Benn, der dem Direktorium des Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria angehört, begrüßte das Ergebnis. Es handele sich um eine der wichtigsten wissenschaftlichen Neuigkeiten der letzten fünf Jahre. Die Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr, sagte: "Dieser Durchbruch bringt den Kampf gegen Aids endlich entscheidend voran."

Rund die Hälfte der weltweit 33,4 Millionen Menschen mit HIV und Aids sind Frauen. Sechs von zehn neu-infizierten Erwachsenen in Afrika südlich der Sahara sind heute weiblich. Seit Jahren wird an einem Mikrobizid für Frauen geforscht, das auch als "chemisches Kondom" bezeichnet wird. Vor einigen Jahren musste eine Studie abgebrochen werden, weil die HIV-Infektionen mit einem Mikrobizid höher waren als in der Vergleichsgruppe.

Das Gel, das Wissenschaftler der Universität Durban und der Columbia Universität in New York jetzt in Südafrika testeten, enthält den antiretroviralen Wirkstoff Tenofovir, der Aids-Kranken auch zur Einnahme verschrieben wird. Er verhindert, dass der Virus aus einer menschlichen Zelle heraus wächst. Nach Angaben des Forscherteams verwendeten insgesamt 889 Frauen zwischen 18 und 40 Jahren mit einem hohen Aids-Risiko das Gel in einer Testreihe auf dem Land und einer zweiten in der Stadt, im Durchschnitt 18 Monate.

Freiwillige Testpersonen

Ingesamt infizierten sich 98 mit HIV: 38 in der Mikrobizid-Gruppe und 60 in der Gruppe, die nur ein Placebo-Gel erhielt. Die freiwilligen Testpersonen führten das Gel bis zu zwölf Stunden vor und nach dem Geschlechtsverkehr in die Scheide ein. Wenn sich das Ergebnis bestätigt, könnte das Gel zwei von fünf Frauen vor einer HIV-Infektion schützen. Die Forscher versicherten, in dem Test seien alle Frauen umfassend über Aids aufgeklärt, beraten und mit Kondomen versorgt worden. Die Infizierten werden behandelt.

Die sogenannte Caprisa-04-Studie wurde von der südafrikanischen und der US-amerikanischen Regierung finanziert. In dem Test ergab sich auch, dass das Mikrobizid-Gel 51 Prozent der Frauen vor Genital-Herpes schützte. Herpes erhöht das Risiko einer HIV-Infektion. Die Wissenschaftlerin Quarraisha Abdool Karim zeigte sich überzeugt, dass das neue Verfahren das Potenzial habe, den Verlauf der Aids-Epidemie zu ändern. Südafrika hat mit sieben Millionen Infizierten eine der höchsten Aids-Raten der Welt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beklagte die mangelnde Betreuung von Kindern mit Aids. Ende 2009 hätten erst 355.000 HIV-positive Mädchen und Jungen eine antiretrovirale Therapie erhalten, rund 80.000 mehr als ein Jahr zuvor. Grund für den geringen Anstieg sei vor allem Geldmangel. Nach den jüngsten Daten leben weltweit 1,2 Millionen Jungen und Mädchen unter 14 Jahren mit HIV und Aids.

Kinder und Jugendliche auf Warteliste

Bisher erhalten weltweit insgesamt fünf Millionen Menschen Aids-Medikamente. Weitere zehn Millionen brauchen sie laut WHO dringend. Auf der Warteliste stünden auch viele Kinder und Jugendliche, hieß es in Wien. Dabei könnten Jungen und Mädchen, die sich bereits im Mutterleib infiziert hätten, bei konsequenter Therapie ein fast beschwerdefreies Leben führen.

Die Welt-Aids-Konferenz mit rund 20.000 Teilnehmern betont unter dem Motto "Rechte hier und jetzt" auch die Situation von Drogenkonsumenten, Homosexuellen und Prostituierten, die in vielen Ländern kriminalisiert werden und ein höheres Aids-Risiko haben.

Am Dienstagabend wurden rund 20.000 Teilnehmer zu einem "Marsch für Menschenrechte" erwartet. "Wir kämpfen weiter", sagte die schottische Sängerin und Songwriterin Annie Lennox. "Wir wollen nicht, dass die Sterblichkeit wieder ansteigt." Die Politiker müssten handeln und ausreichend Geld für die Bekämpfung von Aids bereitstellen.

epd