Die Wahl von Wulff baut neue rot-rote Mauern auf

Die Wahl von Wulff baut neue rot-rote Mauern auf
Die Bundespräsidentenwahl hat eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit weiter erschwert. Linke und SPD geben sich gegenseitig die Schuld dafür, dass der schwarz-gelbe Kandidat Christian Wulff zum neuen Staatsoberhaupt gewählt wurde. Die Grünen warfen der Linkspartei Politikunfähigkeit vor, Oskar Lafontaine hält eine Zusammenarbeit für "kaum möglich". Die Kluft zwischen links und links ist durch die Wahl deutlich größer geworden.

Die Spitzen von SPD, Grünen und Linken hatten am Mittwoch nach dem Scheitern Wulffs in den ersten beiden Wahlgängen Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen geführt. Rot-Grün forderte die Linke vergeblich auf, den Gegenkandidaten Joachim Gauck mitzuwählen. Die Linke brachte im Gegenzug die Nominierung eines neuen gemeinsamen Kandidaten ins Gespräch, was wiederum für die SPD kein Thema war.

Die Linkspartei zog daraufhin zwar ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurück, auf Empfehlung der Parteispitze enthielten sich aber die meisten der 124 Wahlleutein der entscheidenden Abstimmung. Die Linke ist vor allem enttäuscht, dass SPD und Grüne nicht schon vor der Wahl den Versuch gestartet hatten, einen gemeinsamen Oppositionskandidaten aufzustellen. Gauck wurde ohne Absprache mit der Linken nominiert.

Linke: SPD ist schuld, SPD: Linke ist schuld

Linke-Chef Klaus Ernst griff den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel als "unberechenbaren Krawallmacher" an, der Gauck "verheizt" habe. Seine Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch sagte, die Sozialdemokraten hätten sich bei der Präsidentenwahl "verzockt": "Wenn man uns rüde beschimpft, kann man keine Mehrheiten organisieren." Fraktionschef Gregor Gysi forderte die SPD auf Phoenix auf, zu sagen, ob Union und FDP oder die Linke ihr näher stünden. "Solange sie diesbezüglich keine Position bezieht, kriegt man in einem Fünf-Minuten-Gespräch vor dem dritten Wahlgang die Dinge nicht geregelt."

Die SPD hingegen schob der Linken die Schuld am Scheitern Gaucks zu. Gabriel warf ihr vor, sich nicht von ihrer DDR-Vergangenheit lösen zu können. "In der Bundesversammlung hat ausgerechnet unter der Führung von Oskar Lafontaine noch einmal die alte SED-Nachfolgepartei entschieden", sagte Gabriel der "Berliner Zeitung" (Freitag). Schon während des Wahlabends war dieser Vorwurf aufgekommen: Der grüne Europaparlamentarier Werner Schulz hatte in einer Pressekonferenz von Gregor Gysi eingeworfen, die Linke habe versagt, endlich über ihren SED-Schatten zu springen.

Lafontaine stellt Bedingungen für NRW

Die Debatte um die Linkspartei ist besonders für Nordrhein-Westfalen interessant. Dort ist die Minderheitsregierung von Hannelore Kraft auf die Stimmen der Linken angewiesen, wenn Kraft sich Mitte Juli zur Ministerpräsidentin wählen lassen will. Oskar Lafontaine, früher selbst Chef der Linkspartei, hat SPD und Grünen bereits Bedingungen für eine Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen gestellt: Die rot-grüne Minderheitsregierung müsse zuallererst die Überwachung seiner Partei durch den Verfassungsschutz einstellen, forderte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Den Verlauf der Bundespräsidentenwahl sieht Lafontaine allerdings nicht als Hindernis für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit. "Die Frage nach einer rot-rot-grünen Perspektive ist eine inhaltliche", betonte Lafontaine: "Solange die SPD etwa an der Schuldenbremse festhält, ist eine Zusammenarbeit kaum möglich." Die Sozialdemokraten hätten sich zwar bei Mindestlohn und Hartz IV bewegt, die Politik der rot-grünen Koalition sei dennoch "verfehlt".

Inhaltlich finden links und links nicht zusammen

Inhaltliche Fragen stehen auch für Sigmar Gabriel im Mittelpunkt. Die Sozialdemokraten seien bereit zu prüfen, ob die politischen Inhalte der Linkspartei stimmten, sagte der SPD-Chef und fügte seine Analyse gleich an: "Und das tun sie so lange nicht, so lange ein Stasi-Aufklärer und Bürgerrechtler wie Joachim Gauck auf diese Partei wie ein Feind wirkt, obwohl er in Wahrheit ein großer Demokrat und Kämpfer für die Freiheit ist". Die Reformer in der Linken dürften nicht länger zulassen, dass Lafontaine und die stellvertretende Vorsitzende Sahra Wagenknecht "mit ihrer Mischung aus Machiavellismus und Beton-Kommunismus das Zepter schwingen".

Auch die Grünen sehen die Kluft nach der Bundespräsidentenwahl größer werden. Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Linken wegen der mehrheitlichen Enthaltung im dritten Wahlgang eine Verweigerungshaltung vor. Es werde zwar auch weiter Gespräche mit der Linkspartei geben, doch die Chancen für eine Normalisierung der Beziehungen sei vertan. Roths Co-Vorsitzender Cem Özdemir monierte, "dass die Linkspartei bei dem Versuch, in der Bundesrepublik Deutschland anzukommen, Schiffbruch erlitten hat".

Am Rande sorgte der Linke-Politiker Diether Dehm mit einem Hitler-Stalin-Vergleich für Empörung. Medien berichteten, er habe auf die Frage, ob die Linke für Gauck stimmen könne, geantwortet: "Was würden Sie tun, wenn Sie die Wahl hätten zwischen Hitler und Stalin?" Nach heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen entschuldigte sich Dehm.

dpa/han