Deutschlandtrend: Baldiges Ende der Koalition

Deutschlandtrend: Baldiges Ende der Koalition
Nach der mühsamen Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten gehen fast zwei Drittel der Deutschen davon aus, dass die schwarz-gelbe Regierungskoalition ein vorzeitiges Ende finden wird.

Nach dem Debakel der Bundespräsidentenwahl sehen fast zwei Drittel der Deutschen das Ende der Koalition am Horizont: 62 Prozent sind laut dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend der Ansicht, dass "die Koalition aus Union und FDP nicht mehr lange halten wird".

Während Wulff selbst betont, dass die Reihe an Abweichlern nur den Charakter der freien Wahl unterstreicht, finden zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) dass es eine "Blamage" für die Kanzlerin sei, "dass Wulff so viele Stimmen aus dem eigenen Lager nicht bekommen hat".

Mehr als drei Viertel (77 Prozent) denken, dass "Angela Merkel ihre Regierungskoalition nicht mehr richtig im Griff hat". Nur 31 Prozent sind der Ansicht, dass "jetzt, nachdem der Bundespräsident gewählt ist, der Bundesregierung ein Neustart gelingen wird". Für die Umfrage im Auftrag der ARD-Tagesthemen hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am Donnerstag 799 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch befragt.

Wird Christian Wulff ein guter Bundespräsident?

Trotz aller Unruhe: Christian Wulff stößt als neuer Bundespräsident auf breite Zustimmung in der Bevölkerung. Fast drei Viertel der Deutschen - 72 Prozent - sind der Ansicht, dass Christian Wulff ein guter Bundespräsident sein wird. Nur 13 Prozent glauben nicht daran, dass der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident das Amt gut ausfüllen wird.

58 Prozent der Deutschen denken, dass "am Ende mit Wulff der richtige Kandidat gewählt worden ist". Rund ein Drittel (35 Prozent) findet, dass "Joachim Gauck der bessere Präsident gewesen wäre". Auch mit dem ungewöhnlich niedrigen Alter des neuen Präsidenten haben die Deutschen kein Problem: Mehr als drei Viertel der Befragten (79 Prozent) finden es gut, "dass diesmal ein jüngerer Kandidat in das Amt gewählt wurde".

Christian Wulff wird von den Bürgern sehr positiv bewertet. 82 Prozent halten ihn für sympathisch, 74 Prozent für glaubwürdig und 66 Prozent für volksnah. 80 Prozent sind der Meinung, dass Wulff Deutschland in der Welt gut vertreten kann. Dass Wulff über den Parteien stehen wird, glaubt allerdings weniger als die Hälfte der Deutschen (47 Prozent).

Bester Wert für SPD seit Februar 2008

In der Sonntagsfrage gewinnt die Union gegenüber Mitte Juni einen Punkt hinzu und kommt auf 33 Prozent. Die SPD kann um einen Punkt zulegen und erreicht 30 Prozent. Dies ist der beste Wert für die SPD seit Februar 2008. Die FDP liegt unverändert bei fünf Prozent. Die Grünen erreichen unverändert 17 Prozent. Die Linkspartei verliert einen Punkt und kommt auf zehn Prozent. Rot-Grün erreicht mit 47 Prozent den besten Wert im ARD-DeutschlandTrend seit Oktober 2002. Für die Sonntagsfrage hat Infratest dimap am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche 1.624 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch befragt.

Ganz vorne in der Beliebtheitsliste deutscher Spitzenpolitiker liegt weiterhin Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Mit seiner Arbeit sind 70 Prozent der Deutschen zufrieden (+2 gegenüber Mitte Juni). Auf Platz zwei folgt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, mit deren Arbeit 60 Prozent der Deutschen zufrieden sind (+4). Auf Platz drei liegt Finanzminister Wolfgang Schäuble (54 Prozent, +6). Angela Merkel liegt mit einer Zustimmung von 43 Prozent (+3) in der Beliebtheitsliste weiter hinter SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (53 Prozent, +10), SPD-Chef Sigmar Gabriel (46 Prozent, +5) und der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast (45 Prozent, +-0). Mit der Arbeit von FDP-Chef Guido Westerwelle sind 22 Prozent der Bürger zufrieden (+2).

Wulff: Drei Wahlgänge sind keine Belastung für das Amt

Heute legt Wulff seinen Amtseid auf das Grundgesetz ab. Dazu kommen Bundestag und Bundesrat zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Danach wird Wulff seine erste Rede als Staatsoberhaupt halten. Davon werden Hinweise auf seine Arbeitsschwerpunkte in den kommenden fünf Jahren erwartet.

Wulff sieht die drei notwendig gewordenen Wahlgänge nicht als Belastung für das Amt. "Man muss dieses Wahlprozedere positiv verstehen", sagte der bisherige niedersächsische Ministerpräsident. "Ich musste mich häufig im Amt bewähren. Ich hatte nie so viele Vorschusslorbeeren." Außerdem sei er sich immer sicher gewesen, am Ende der Bundesversammlung zu gewinnen.

Angesichts des Abstimmungsverhaltens der Linken, die Gauck auch im dritten Wahlgang nicht unterstützt hatten, schließt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene derzeit aus. "Man kann mit keiner Partei eine Bundesregierung im demokratischen vereinten Deutschland bilden, die offensichtlich noch mehr in der Vergangenheit lebt", sagte Gabriel in einem RTL-Interview. Es sei in der Linkspartei nicht durchsetzbar gewesen, einen Kandidaten zu wählen, der Aufklärer auch von DDR-Unrecht sei.

Wulff wirbt für mehr Integration

Gauck sagte im ZDF, es sei unklar, in welche Richtung die Linke gehe: "Kräfte, die sich nicht lösen mögen von diesem diktatorischen Projekt des Herrschaftskommunismus kämpfen um Positionen, und die aufklärerischen Kräfte kämpfen auch - und wir wissen nicht genau, wie das ausgehen wird."

Wulff kündigte an, im neuen Amt zu versuchen, der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Dabei müssten über die Parteien hinaus auch Bürgerinitiativen und einzelne Bürger besser eingebunden werden. "Parteien sind wichtig. Sie wirken an der politischen Willensbildung mit. Aber sie sind nicht die politische Willensbildung."

Der neue Präsident warb auch für mehr Integration. "Wir müssen lernen, niemanden links liegen zu lassen. Wir müssen alle mitnehmen." Die ersten Auslandsreisen will er zur Europäischen Union nach Brüssel sowie nach Frankreich und Polen unternehmen. Für Oktober ist eine viertägige Reise in die Türkei geplant.

dpa