Maximaler Flutalarm an der Oder: Halten die Deiche?

Maximaler Flutalarm an der Oder: Halten die Deiche?
Bewährungsprobe für die Deiche an der Oder: Nach der Hochwasser-Katastrophe 1997 wurden die Dämme ausgebaut. Nun steigt die Flut wieder. Experten beschwören den Ernst der Lage, Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck hat seinen Urlaub abgebrochen. Für den Kreis Oder-Spree gilt die höchste Flutwarnstufe 4.

Die Flut kommt nach Deutschland - und zwar mit Macht. "Das wird das zweithöchste Hochwasser, das die Oder in historischer Zeit erlebt hat", sagte der Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes, Matthias Freude, am Mittwoch. Im Landkreis Oder-Spree wurde die Alarmstufe 4 ausgerufen. Nun patrouillieren Tag und Nacht Deichläufer auf den Wällen, die Ortschaften und Äcker vor den Fluten schützen sollen. In Polen beruhigte sich die Situation, nachdem der Hochwasserscheitel der Weichsel in die Ostsee abfloss.

In Brandenburg dagegen spitzt sich die Lage zu: Dort wurde für den Abend - spätestens aber für diesen Donnerstag - mit der höchsten Alarmstufe 4 gerechnet, hieß es beim Hochwassermeldezentrum in Frankfurt (Oder) am Nachmittag. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) brach seinen Urlaub ab. "Sämtliche Deiche werden jetzt überwacht", sagte der Landrat von Oder-Spree, Manfred Zalenga (parteilos). Mehr als hundert Deichläufer seien in mehreren Schichten im Einsatz. Zwischen Neiße und Oder würden etwa 50 Kilometer Deich im Landkreis kontrolliert.

Krankenhaus in Slubice vor den Fluten geräumt

Jetzt kriegt man langsam den Ernst der Lage mit", sagte Freude. Die Deiche und auch die Behörden seien aber viel besser vorbereitet als bei der Jahrhundertflut von 1997. "Alles, was ich zumindest gesehen habe an Vorbereitungen - und ich bin für die ganzen Deiche verantwortlich - das ist optimal gelaufen." Er habe ein gutes Gefühl.

Brisant war die Lage in Frankfurts polnischer Nachbarstadt Slubice. Große Teile der Stadt liegen unterhalb des Oderpegels. Wasser aus der Kanalisation könnte sie deshalb rasch überfluten und zu Deichbrüchen führen. Bürgermeister Ryszard Bodziacki hat an die Einwohner appelliert, Slubice zum Wochenende zu verlassen. Das Krankenhaus in Slubice ist wegen des drohenden Hochwassers geräumt worden: Bis Donnerstag würden auch die letzten 15 Patienten weggebracht, teilte das Krankenhaus mit. "Ich denke, wir sollten uns auf das schlimmste Szenario vorbereiten", sagte Krankenhausdirektorin Katarzyna Lebiotkowska. Die Patienten kommen vor allem in den Krankenhäusern in Sulecin und Gorzow Wielkopolski unter. Im acht Kilometer entfernten Swiecko soll ein Feldlazarett aufgebaut werden.

An der Weichsel ist die Flut vorerst vorbei

Aufatmen dagegen an der Weichsel: "Alles ist unter Kontrolle", verkündete Innenminister Jerzy Miller in Warschau. Nirgendwo bestehe mehr die Gefahr, dass der Fluss über die Ufer trete. Wachsamkeit sei aber nach wie vor gefragt, weil die extrem lange Flutwelle die Dämme geschwächt habe. In Warschau gab Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz gesperrte Straßen und geschlossene Schulen und Kindergärten wieder frei. Wegen Seuchengefahr gilt für den Fluss ein Badeverbot.

Der polnische Regierungschef Donald Tusk besuchte vom Hochwasser massiv betroffene Gebiete im Süden des Landes. In Lanckorona, wo nach Erdrutschen rund 70 Häuser einsturzgefährdet sind, versprach der Politiker, "ganze Siedlungen" wieder aufzubauen. Am Vortag hatte die Regierung Hilfen in Höhe von zwei Milliarden Zloty (500 Millionen Euro) für die Flutopfer beschlossen. Menschen, die ihre Häuser verloren haben, werden mit 20.000 bis 100.000 Zloty unterstützt.

Das Bangen in Brandenburg wird unteressen noch einige Tage anhalten: Die Mündung soll das Oder-Hochwasser einer Prognose des Hydrometeorologischen Instituts in Warschau zufolge erst am 3. Juni erreichen.

dpa