Religiöse Wissenschaftler: Pro & Contra in der "Zeit"

Religiöse Wissenschaftler: Pro & Contra in der "Zeit"

Die "Zeit" hat ein Pro & Contra zur Frage "Können gute Wissenschaftler religiös sein?" veröffentlicht, zu Wort kommen ein gläubiger Astrophysiker und atheistischer Philosoph. Eine kritische Würdigung ihrer Antworten.

 

Können gute Wissenschaftler religiös sein? In "Zeit Wissen" und seit gestern auf zeit.de beantworten diese Frage der Astrophysiker Gerhard Börner ("Ja") und der Philosoph Bernulf Kanitscheider ("eher Nein") - leider nur kurz und in Form zweier Statements, also ohne Replik auf die Argumente der Gegenseite.

Börner argumentiert, die moderne Physik habe Freiraum für religiösen Glauben geschaffen, indem sie gezeigt habe, dass unsere wichtigsten Konzepte zum Verständnis der Welt - Materie, Raum und Zeit - nicht ewig, sondern Veränderungen unterworfen seien. Und nicht alles, was es in der Welt gebe, lasse sich mit den Mitteln der Wissenschaft erfassen: "Sicher wissen können wir nur das, was uns die Naturwissenschaft sagt, aber sie schweigt zu vielen Fragen, die uns tief berühren." (Diesen Aussagen ist in ihrer Vagheit kaum zu widersprechen - wer allerdings Probleme hat, seinen konkreten Glauben und das wissenschaftliche Weltbild überein zu bringen, dem ist damit auch kaum geholfen.)

"Kontaktzone von materieller Realität und Transzendenz"

Kanitscheider setzt dagegen bei der Frage an, wie wirklich für den religiösen Wissenschaftler die Glaubensinhalte sind. Besitzen sie für ihn einen rein psychologischen Status als "Bild oder Gleichnis", dann sei alles kein Problem. (Meines Erachtens handelt es sich dann aber nicht mehr um Glauben, sondern um bewusste Selbstmanipulation.) Billige er ihnen aber einen mehr als psychologischen Status zu, dann müsse der Forscher ja "an eine echte Kontaktzone von materieller Realität und spiritueller Transzendenz glauben" - das heißt, Glaubenssätzen müssten "in die empirische Wirklichkeit hineinreichende Wirkungen" zuzuordnen sein. (In der Tat: Wer an die Wunder der Bibel, an Jesu Auferstehung oder auch nur an einen persönlichen, ab und an mit Menschen kommunizierenden Gott glaubt, der geht davon aus, dass die physikalisch nicht messbare Realität Gottes sich irgendwie auswirkt in der empirischen Welt.) Das aber führe, behauptet Kanitscheider, in unauflösliche Widersprüche. (Der Knackpunkt - leider bleibt Kanitscheider hier jeden Beleg und jede weitere Ausführung schuldig. Als Christ würde ich entgegnen, dass es hier gar keine Widersprüche geben kann. Denn was hier aufeinanderprallt, sind zwei Erkenntniswege. Diesen liegt aber eine einzige, unteilbare Wirklichkeit zugrunde - entstehen Widersprüche, müssen in Naturwissenschaft oder Theologie Fehler gemacht worden sein.) Kanitscheider schließt mit dem (berechtigten) Hinweis, dass auch Atheisten Sinnfragen ernst nehmen und Antworten jenseits von Materialismus und Nihilismus finden.

Interessant ist auch, dass beide Diskutanten über 70 Jahre alt sind und damit klar jenseits der Phase, in der man auf weitere Karrieresprünge hofft. Trauen sich jüngere Wissenschaftler zu diesem gern tabuisierten Thema nicht aus der Deckung - oder ist Religion doch eher ein Thema für Senioren? Immerhin gibt’s auch andere Beispiele wie die auf evangelisch.de vor einiger Zeit porträtierten Elke Eisenschmidt und Barbara Drossel. Letztere, eine Physikprofessorin aus Darmstadt, hat übrigens am Wochenende den Akademiepreis der Evangelischen Akademie Baden verliehen bekommen. Prämiert wurde damit ein Vortrag zum Thema "Zufall oder Fügung", den sie auf einer Tagung der Akademie gehalten hat. Ein Interview mit der Preisträgerin zu ihren Ideen zum Thema ist geplant (wird aber noch ein wenig auf sich warten lassen).

Nachtrag: Der "Schwarzwälder Bote" berichtet über die Preisverleihung an Barbara Drossel - und damit passt das Ganze noch besser zur Eingangsfrage. Denn ihre Preisrede hatte das Thema: "Welche Eigenschaften hat ein guter Wissenschaftler?" Drossel sieht dem Bericht zufolge viele Parallelen in der Praxis des Glaubens und der Praxis der Naturwissenschaft. Beide erforderten ähnliche Tugenden - laut Bericht nannte Drossel persönliche Bescheidenheit, Ausdauer und Verzicht, Kreativität und Neugier, Korrekturbereitschaft sowie Gemeinschaftsfähigkeit.
 

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