Sollten wir noch auf Facebook sein?

Sollten wir noch auf Facebook sein?
Fünf Fragen und Antworten aus jüngsten Gesprächen zu Social Media.

Im gerade vergangenen Jaunar war ich zu zwei Workshops zum Thema Social Media eingeladen, bei der Rundfunkarbeit der evangelischen Kirche und bei der Evangelischen Kirche in Baden. Dies sind die häufigsten Fragen und Denkanstöße von diesen Gelegenheiten, die wir dort diskutiert haben.

Lohnt sich Facebook noch?

Ah, Facebook! Marktführer, Datenstaubsauger und Buhmann in Sachen Social Media. Der Trend geht dahin, dass die alte Facebook-Plattform auf dem absteigenden Ast ist, andere Facebook-Angebote wie Instagram und Whatsapp aber steigene Nutzung verzeichnen. Die Frage bezieht sich aber auf die ganz klassische Facebook-Nutzung. Lohnt sich für mein Projekt, meine Idee, meine Gemeinde eine Facebook-Seite?

Ein Blick auf die Nutzerzahlen von 2018 zeigt, dass man an Facebook bei aller Kritik nicht vorbeikommt, wenn man möglichst viele Menschen erreichen möchte.

Social-Media-Mutzung + Spotify in Deutschland 2018

Die verfügbaren Zahlen stellt Christian Buggisch jedes Jahr zusammen und erweist uns damit einen wertvollen Dienst (danke!). (Nicht dabei waren übrigens die Videonetzwerke (YouTube, Twitch und inzwischen auch TikTok), die einen weiteren großen Teil der Social-Media-Sphäre ausmachen. Deren Zahlen sind etwas schwerer zu finden. Statista nennt für YouTube rund 31 Millionen monatlich aktive Nutzer in Deutschland. Twitch.tv hat IVW-Zahlen und lag 2018 bei 32-36 Millionen Visits (nicht Personen) im Monat, bei laut Statista rund 2,75 Millionen Nutzer*innen im Dezember 2018.)

Grundsätzlich lohnt es sich also, als erstes über Facebook nachzudenken. Aber nur wenn die Menschen, die ich erreichen will, dort auch wirklich sind. Bei Menschen unter 25 Jahren kann man Facebook in der Regel getrost ignorieren. (Whatsapp allerdings nicht!) Dabei kommt es nicht auf die Größe an. Wenn die Menschen, mit denen ich arbeiten möchte, alle auf Facebook sind, dann ist eine Facebook-Gruppe ein guter Weg, das zu organisieren. Wenn ich aber maximale Reichweite erzielen will, muss die Mischung aus Inhalten und Zielgruppe zusammenpassen. Vielleicht erreiche ich mehr Menschen mit größerer Verlässlichkeit, wenn ich für Gemeindetermine einen E-Mail-Newsletter schreibe oder einen WhatsApp-Broadcast aufsetze als eine Facebook-Seite zu betreuen. Vielleicht ist auch eine grafische Aufbereitung der Termine auf Instagram optimal? Die eigene Gemeindehomepage sollte jedenfalls immer die aktuellsten Termine zeigen.

Mehr Informationen, wer im Durchschnitt welche Plattformen nutzt, bieten u.a. der D21-Digitalindex,die ARD/ZDF-Onlinestudie und die JIM-Studie.

Wie merke ich dann konkret, welcher Weg der beste ist? Das geht nur durch Ausprobieren. Wenn nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung stehen, empfehle ich: mit ein paar Menschen reden, die zur Zielgruppe gehören und dabei schauen, dass ich alle berücksichtige (für Gemeindekommunikation z.B. bei allen Altersgruppen, im Gottesdienst und im Kindergarten nachfragen). Dann auf der Basis der Antworten einen oder zwei Kanäle ausprobieren. Ehrenamtliche Hilfe von Menschen, die gerade Lust auf einen bestimmten Kanal haben, ist sehr wertvoll.

Und immer ganz wichtig: Vorher überlegen, welche Ziele ich erreichen möchte, einen Zeitraum bestimmen und danach ehrlich schauen: Habe ich die Ziele erreicht? Sind mehr Menschen ins Konzert gekommen als vor drei Monaten? Wurden meine Facebookposts mehr geteilt? Habe ich mehr positive Rückmeldungen bekommen? Das könnten alles Ziele sein. Aber ausprobieren funktioniert nur dann, wenn ich weiß, was ich eigentlich probieren wollte. Alle digitalen Plattformen bieten Zahlen-Auswertungen an; mindestens da sollte man draufschauen.

Wie klein und unregelmäßig darf ein Auftritt eigentlich sein?

Reicht es, alle zwei Monate einen Newsletter zu schicken? Kann ich eine Facebook-Seite haben, auf der alle 10 Tage mal etwas passiert? Auch das hängt stark von der Plattform ab. Soziale Netzwerke, die algorithmisch Inhalte in die Newsfeeds der Nutzer spülen (wie Facebook, YouTube, Instagram), sind schlecht geeignet, um nur sporadisch aktiv zu sein. Direktkanäle wie Messenger und E-Mail-Newsletter, aber auch eigene Facebook-Gruppen, sind dafür viel besser geeignet.

Als grobe Faustregel: Auf Twitter, Facebook und Instagram würde ich mindestens zweimal wöchentlich aktiv sein. Auf YouTube mindestens alle zwei Wochen, wenn man eine regelmäßige Zuschauerschaft ansprechen möchte. Newsletter können sporadisch sein. Immer aber gilt: Wer regelmäßig präsent ist, bekommt auch regelmäßig Besuch. Ob es 50, 500 oder 5000 sind, spielt in absoluten Zahlen keine Rolle. Wichtig ist, ob man das gesetzte Ziel (qualitativ oder quantitativ) erreicht.

Was ist eigentlich Erfolg?

Das weiß ich nur, wenn ich mir a) Ziele setze, b) die zugehörigen Kennzahlen messe, und c) nach einem definierten Zeitraum die Ziele mit den Kenngrößen vergleiche. Ohne zu wissen, was man erreichen möchte, kann man es gleich lassen. Im Zweifel kleine Ziele setzen als gar keine. Das können übrigens auch qualitative Ziele sein: Wenn ich im nächsten Video mehr unterschiedliche Schnitttechniken einsetzen möchte als im Video davor, ist das auch ein Ziel. Nur ein unmotiviertes Schulterzucken sollte nicht die Antwort sein auf die Frage: Was will ich, und warum?

Wie geht man mit der zum Teil sehr mäßigen Kommentarqualität im Netz um?

Social Media macht nur Spaß, wenn man mit Menschen in Kontakt kommt. Man muss nicht auf alles reagieren, aber als reine Einbahnstraße ohne Rückmeldung (und wenn es nur ein paar Likes sind) ist Social Media langweilig. Deshalb hat jeder Social-Media-Auftritt auch immer einen performativen Charakter, da hat Wolfgang Huber schon Recht, wie jede Predigt, jeder Talkshowauftritt und jedes Medieninterview auch.

Wenn die Rückmeldungen aber mehrheitlich Beleidigungen, Unsinn und Spam sind, macht das Kommentare lesen wirklich keine Freude mehr. Netzpolitik.org beispielsweise hat deswegen seine Kommentarrichtlinien deutlich verschärft und löscht alle Meinungsbeiträge, die keine direkte inhaltiche Ergänzung zum Thema sind (hier erklären sie mehr dazu). Auf evangelisch.de sind wir in den vergangenen zwei Jahren genau so auch restriktiver geworden, was Abgleitungen vom Thema angeht, und denken immer wieder darüber nach.

Kommentare und Rückmeldungen werden dann gut, wenn die Menschen dort sich auf ein Miteinander statt ein Gegeneinander einlassen. Das gelingt, wenn die Impulsgeber sich aktiv einmischen, immer wieder darauf hinweisen und Friedensstörer direkt ermahnen und konsequent von der Diskussion ausschließen. Das darf man durchaus: Wer sich nicht benehmen kann, fliegt raus, denn man muss sich nicht alles gefallen lassen. Gerade in Social Media gibt es immer einen anderen Ort, wo sich ein Störenfried auskotzen kann, das muss nicht auf unseren Seiten sein.

Bei der Moderation auf Social Media merkt man übrigens auch „die Bruchstellen der Ökumene“, berichtete ein Workshop-Teilnehmer. Bei ökumenischen Communities moderieren am besten Katholiken die katholischen Fragen und Protestanten die protestantischen Fragen, damit man nicht auf den entsprechenden Befindlichkeiten herumtrampelt.

Wie kann ich Audio erfolgreich in Social Media posten?

Gar nicht. Die Frage habe ich mehrfach bekommen, und meine Antwort ist: Es geht nicht. Social braucht immer Text, Bild oder Video. Audio geht als Podcast gut, auch dort kann sich eine Community drumherum bilden, um die sich Podcaster per E-Mail, Facebook-Gruppe oder Twitter-#Hashtag kümmern. Aber reines Audio funktioniert nicht. Schon deshalb, weil man beim Scrollen durch den Newsfeed dann keine Beschäftigung für die Augen hat. Der Impuls, weiterzuscrollen, wird dann sehr schnell sehr groß, denn die Hände sind nicht beschäftigt. Aber wenn man weiterscrollt, bricht in der Regel auch das Audio ab. Deshalb braucht reines Audio andere Wege, zu den Menschen zu kommen.

Bonusfrage: Wer hat Lust auf ein spannendes Digitalprojekt in Frankfurt am Main?

Zum Abschluss noch ein Hinweis. "Einfach machen" ist in kirchlichen Kontexten ja manchmal kompliziert. In Frankfurt finanziert die Evangelische Zukunftsstiftung jetzt aber genau das und sucht für ein Jahr einen „Digital Scout“ bei Pax&People, einem ökumenischen Projekt im Europaviertel in Frankfurt. Das ist eine sehr spannende Stelle für jede*n, die gerade etwas sucht und Spaß am Digitalen hat – Stellenausschreibung hier.

Vielen Dank für’s Lesen & Mitdenken!

(Wer die ganze Kurzpräsentation sehen und nutzen möchte, kann sie hier downloaden:)


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!

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