Eine stachelige Nation

Eine stachelige Nation

Adler, Löwen, Bären, ab und an ein Hirsch oder ein Pferd – die Wappentiere der Bundesrepublik und seiner Länder zeugen nicht gerade von überbordender Fantasie.* Aber für den gewünschten Effekt, nämlich Mut, Stärke und Erhabenheit zu symbolisieren, reichen sie vermutlich aus. Ich bezweifle aber, dass sie auch als nationale Symbole taugen. Nationale Symbole sind laut Wikipedia „konstitutive Elemente nationaler Identifikation, Sprache und Handlung“. Im Falle Deutschlands entspricht wohl am ehesten noch die Eiche dieser Definition, aber da es sich dabei um kein Tier, sondern eine Pflanze handelt, will ich sie im Moment mal beiseite lassen.

Auch Großbritannien fehlt es bisher an einem Nationaltier, im Gegensatz zu Frankreich (Hahn), Australien (Känguru), Neuseeland (Kiwi), USA (Weißkopfadler) oder Russland (Bär). Diesem Zustand möchte das BBC Wildlife Magazine Abhilfe schaffen und ließ seine Leser abstimmen, mit welchem Tier sie sich am ehesten identifizierten und das sie deshalb gern als Nationalsymbol hätten.

Auf der Auswahlliste standen weder Adler noch Löwen. Stattdessen konnte unter anderem zwischen Otter, Eichhörnchen, Schwalbe, Dachs, Rotkehlchen und Marienkäfer gewählt werden. (An dieser Stelle gab es Protest von Entomologen, die sich darüber beschwerten, dass die Liste von Wirbeltieren dominiert sein, obwohl diese nur 4 Prozent der weltweiten Arten ausmachen).

Sieger der Abstimmung und damit auf dem besten Weg zum Nationaltier Großbritanniens ist jedoch ein Gartenbewohner: der Igel. Das Magazin erklärt das Ergebnis mit den Eigenschaften, die die Briten dem Igel zuschreiben: Freundlich sei er und außerdem fleißig – schließlich vertilgt so ein Igel 60 bis 80 Gramm Schnecken pro Nacht und ist damit eine große Hilfe für jeden Hobbygärtner. Auch ein Mitleidsfaktor komme zum Tragen: Die Briten seien traditionell auf der Seite der underdogs, und die vielen plattgefahrenen Igel auf den Straßen steigere die Zuneigung nur noch.

Ich finde, Nettigkeit, Fleiß und Liebe zum Garten sind ausgesprochen schöne Merkmale für ein Nationalsymbol. Weswegen ich auch die Initiative unterstütze, die das Magazin nun anregt: Die Queen möge doch bitte die Wichtigkeit des Naturschutzes für die Briten zum Ausdruck bringen, indem sie den Igel in ihr Wappen aufnimmt, zusätzlich zu den dort bereits abgebildeten Tieren – Löwe und Einhorn.

 

* Am besten gefällt mir persönlich ja das Wappen Mecklenburg-Vorpommerns. Der darin abgebildete Stier kann wahlweise, je nach Stimmung des Betrachters, auch als total erschöpftes Rindvieh oder als Kuh, die den Anwesenden mit gebleckten Zähnen die Zunge rausstreckt, interpretiert werden.

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