Krisenzeiten

Krisenzeiten

Die britische Regierung behauptet seit Monaten, ein Rezept gegen die seit dem Finanzcrash herrschende Wirtschaftskrise zu haben: Einfach mehr Häuser bauen - hey presto, Wirtschaft angekurbelt und Wohnungsnot gelöst. (Ich gebe das politische Programm hier zugegebenermaßen etwas verkürzt wieder, aber im Kern ist das die Aussage.) Diese Strategie löst nicht nur bei Wirtschaftsexperten Sturznrinzeln aus, sondern führt auch zu Protesten in der Bevölkerung. Denn die Regierung möchte das Bauen auch in bisher geschützten Grüngürteln und Naherholungsgebieten genehmigen.

Dem gegenüber steht eine breit angelegte Kampagne der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), die derzeit in Fernsehspots und Zeitungsanzeigen Gartenbesitzer dazu aufruft, mehr für die Wildtiere des Landes zu tun. "Giving nature a home", der Natur ein Zuhause geben, heißt der Slogan der Aktion, deren Ziel es ist, die Briten für die Belange von Spatz und Igel zu sensibilisieren und in den nächsten Monaten eine Million neue wildlife friendly Gärten zu schaffen.

Zugrunde liegt der Anstrengung der RSPB eine Studie, die vor Kurzem zu dem Schluss kam, dass der Bestand von 60 Prozent der Tierarten der Insel rückläufig ist, von einem Drittel hat sich der Bestand in den letzten 50 Jahren halbiert, 10 Prozent sind sogar vom Aussterben bedroht. Als Hauptursachen werden die Intensivierung der Landwirtschaft, Überfischung, Klimawandel - und Bauprojekte ausgemacht. Und auch, wenn naturnahe Gärten an diesen Ursachen wenig bis nichts ändern, weist die RSPB darauf hin, dass sie Tieren, die sich "da draußen" schwertun, einen wertvollen Lebensraum bieten können.

"Gärten sind wichtige Zufluchtsräume und können eine bemerkenswerte Artenvielfalt beherbergen", sagte ein beteiligter Professor dem "Guardian". Schon kleine Veränderungen im Garten könnten Großes bewirken. Zum Beispiel Nistkästen aufhängen, einen Teich anlegen, auf Pestizide verzichten, pollen- und nektrarreiche Blumen pflanzen und, vor allem, nicht zu ordentlich sein und Gras etwas länger stehen und Äste, Zweige und altes Laub liegen zu lassen - damit ist vielen Vögeln, Insekten, Säugetieren und Amphibien schon weitergeholfen. "Auch wenn das Problem riesig ist, kann dessen Lösung bereits im Kleinen beginnen, nämlich vor unserer Haustür", drückt es der Boss der RSPB aus.

Ich bin bekanntlich bemüht, mein Scherflein zum Erhalt der englischen Tierwelt beizutragen und freue mich mitteilen zu können, dass sich Distelfinken, Grünfinken, Meisen, Stare, Rotkehlchen, Amseln, Hummeln, Bienen, Frösche und mindestens fünf verschiedene Schmetterlingsarten in unserem Garten heimisch fühlen. Nur eine Tierart scheint bei uns ausgestorben zu sein, seit der Igel eingezogen ist: Trotz des völlig verregneten Frühlings habe ich in diesem Jahr noch keine einzige Schnecke in den Beeten gefunden.

Verlierer gibt es offenbar immer. Erst recht in Krisenzeiten.
 

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