Warum zeigt Gott sich nicht?

Warum zeigt Gott sich nicht?

Integrität gehört nicht zu den Tugenden dieser Zeit. So oft muss ich auch bei mir selbst feststellen, dass ich mit meinem Mund etwas sage, und in meinem Herzen etwas ganz anderes meine. Dass ich mit meinem Äußeren etwas vorgebe zu sein, was absolut nicht dem entspricht, wie es innerlich in mir aussieht.

Ehrlichkeit geht leider immer mehr verloren in einer Welt, in der es so oft nur darauf ankommt, bestimmten Standards zu entsprechen und die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen – auch auf Kosten des eigenen Herzens.

Heute habe ich über Klagelieder nachgedacht. Die Psalmen Davids sind voll davon. Aber nur sehr selten höre ich mich selbst oder andere mit einem so ehrlichen Herzen beten, wie es uns David in den Psalmen vormacht. Viel zu oft klingen Gebete – ob in der Kirche oder irgendwo anders – wie Smalltalk mit einem Freund, der mir nicht wirklich wichtig ist und bei dem ich es deswegen auch nicht riskiere, mein wahres Gesicht zu zeigen. Worte ohne Gehalt. Jeden Tag die gleichen Phrasen. Wie eine Einkaufsliste, die abgehakt werden muss. Manchmal wundern wir uns dann, warum nichts passiert und warum unsere Gebete so kraftlos sind.

Warum zeigt Gott sich nicht?, fragen wir uns und vergessen dabei, dass wir selbst darin einen Part spielen. Die Begegnung mit einer anderen Person ist nur möglich, wenn wir zulassen, dass diese Person uns wirklich sieht – so, wie wir sind. Auch wenn Gott uns durch und durch kennt, möchte er, dass auch wir unseren eigenen Zustand erkennen und vor ihn bringen – auch wenn das bedeutet, dass wir ein Klagelied singen. Das bedeutet nicht, dass wir Gott anklagen oder uns einfach nur beschweren. Es bedeutet, dass wir ihm unser kaputtes Herz bringen, weil das ein Opfer ist, das ihm gefällt (Psalm 51, 19).

Was in Bezug auf die Begegnung mit Gott wahr ist, gilt genauso für unsere Beziehungen mit anderen Menschen. Wer eine echte Begegnung mit Gott oder einem anderen Menschen erlebt hat, kennt den Unterschied. Unbeschreiblich wertvoll ist der Moment, in dem man erkennt, dass man vor Gott mit leeren Händen steht, mit einem zerbrochenen Herzen – und gleichzeitig erkennt, dass Gott Gott ist und dass das für uns Hoffnung bedeutet. Unbeschreiblich wertvoll ist auch der Moment, in dem Menschen den Mut aufbringen voreinander ehrlich zu sein – nur dort kann das stattfinden, was wir Freundschaft nennen.

Wie schade, dass es heute so vielen Menschen wichtiger ist, ihr Image zu erhalten oder den Erwartungen anderer Menschen zu entsprechen – und sie dabei verstecken (oder schlimmer noch vergessen!), wer sie wirklich sind. Das mag schon viele Beziehungen gekostet haben. Doch schlimmer ist, wenn dieses Schauspiel verhindert, dass wir dem begegnen, der uns bedingungslos liebt – Gott.
 

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