Dresscode für den Glauben

Probsteier Trachtengruppe in Schönberg 2010
© Huhu Uet / CC BY 3.0 / Wikimedia Commons
Probsteier Trachtengruppe in Schönberg auf einem Volksfest. Die Kirchentracht war schlichter: "Hier war der Grundton immer schwarz", erklärt Christian Lantau, selbst Mitglied der Probsteier Tanz- und Trachtengruppe Schönberg.
Probsteier Tracht
Dresscode für den Glauben
Die Probsteier Tracht ist in diesem Jahr vom Deutschen Trachtenverband als "Tracht des Jahres" ausgezeichnet worden. Bis in die 1870-er Jahre gehörte sie zur Alltagskleidung der Frauen und gab Aufschluss über das Vermögen ihrer Trägerinnen.

Die Probstei ist ein ländlicher, landwirtschaftlich geprägter Streifen Land an der Ostseeküste östlich von Kiel. Laboe und Schönberg sind die größten Orte, dazwischen liegen viele kleine Dörfer. Weil das Land sehr ertragreich war und ist, machte es etliche Probsteier Bauern reich. Das spiegele sich in den noch bis in die 1870-er Jahre getragenen Trachten der Frauen wider, weiß Christian Lantau. "Wer hatte, zeigte es auch."

Der 57-jährige Laboer Christian Lantau gilt als der Experte für die Probsteier Tracht. Seit seinem 13. Lebensjahr beschäftigt er sich mit Trachten, hat inzwischen mehr als 1.000 alte Fotos zum Thema gesammelt. Er gehört der Probsteier Tanz- und Trachtengruppe Schönberg an und näht seit 1989 Trachten originalgetreu mit der Hand. Bei regelmäßigen Nähabenden gibt er sein Wissen an die Jüngeren in der Tanz- und Trachtengruppe weiter.

Mit Stoffen aus Brokat, Samt und Damastseide, Silberknöpfen, aufwendigen Stickereien und reich verzierten Hauben sei die Propsteier Tracht besonders prachtvoll. "Die damalige Landbevölkerung sah an den Trachten ganz genau, wie gut gefüllt Portemonnaie und Aussteuertruhe waren - und ob es schon einen Mann im Leben der Damen gab", sagt Lantau. Die Tracht der Frauen zeige mit Farben und Ausstattung drei Dinge: "Den Anlass des Tragens, das Vermögen und den Familienstand."

Trachten waren Ausdruck der Familienstands und des Wohlstands, so trugen unverheiratete Frauen zu festlichen Anlässen einen oben roten, unten stets schwarzen Rock mit weißer Schürze, erklärt Lantau.

Einfach ging es in der Kirche zu: "Hier war der Grundton der Tracht immer schwarz", sagt Lantau. "Die Mädchen bekamen die Grundausstattung ihrer Trachten schon früh in die Aussteuertruhe gelegt, auch ihre Konfirmationstracht." Junge Männer indes bekamen meist einen unscheinbaren schwarzen Konfirmationsanzug, der jenen aus weniger begütertem Hause für alle kirchlichen Anlässe genügen musste.

Trachten für kirchliche Anlässe

"Normalerweise trugen die jungen, unverheirateten Frauen zu festlichen Anlässen einen oben roten, unten stets schwarzen Rock mit weißer Schürze", sagt Lantau. Für die Konfirmation seien Rock und Schürze schwarz gewesen. Nur die Mieder durften farbig sein. Jungen und Mädchen bekamen zur Konfirmation außerdem ein mit Silberschließen, farbigen Glassteinen oder gar roten Granaten geschmücktes Gesangbuch.

Schlichter war die Abendmahlstracht: Zum schwarzen Rock mit Besatz aus glänzendem, schwarzem Seidenstoff und schwarzer Schürze haben die Frauen ein ebenfalls schwarzes oder schwarz-weiß gemustertes Seidenmieder getragen. An Stelle der Silberknöpfe traten schwarze Knöpfe, die Haube war gleichfalls schwarz, mit Besatz aus schwarzem Samt, das Halstuch schwarz-weiß gemustert. "Eine sehr elegante, vornehme Tracht", findet Lantau.

Nichts Glänzendes mehr hatte die Beerdigungstracht, sie war aus stumpf-schwarzen Tuch- und Wollstoffen gearbeitet. Trauernde Frauen zogen den Rock über einen weiteren schwarzen Oberrock und schlugen ihn von hinten so über den Kopf, dass nur das Gesicht frei blieb. "Die den Verstorbenen am nächsten verwandten Frauen fuhren auf diese Weise verhüllt auf dem von Pferden gezogenen Leichenwagen mit und schlossen sich in gebeugter Haltung dem Trauerzug an - sicher ein unheimlicher Anblick", glaubt Lantau.

Umso bunter sei es bei Hochzeiten zugegangen. "Zum Kirchinventar gehörten seinerzeit Brautkronen, die der Pastor gegen Gebühr an die Bräute entlieh", sagt Lantau. Die kleinste habe drei Mark, die mittlere vier und die prächtigste Krone fünf Mark gekostet. "Natürlich warteten viele Menschen vor der Kirche, um einen Blick auf das frisch vermählte Brautpaar zu erhaschen und sahen an der Krone gleich, wie begütert das Paar war". Und wenn die Braut keine Krone trug? "Dann war sie bereits guter Hoffnung oder hatte nicht zum ersten Mal geheiratet", sagt Lantau mit einem Lächeln.