Warme Stuben statt kalte Kirchen

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Viele Kirchen öffnen in Zeiten von steigenden Energiekosten ihre Gemeindehäuser. Die meisten kommen, weil sie sich nach Gemeinschaft sehnen. "Aufwärmen und Kaffee trinken ist nur positiver Nebeneffekt", sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Tanja Karstens.
Gemeinsam aufwärmen
Warme Stuben statt kalte Kirchen
Viele Kirchengemeinden in Schleswig-Holstein bieten wöchentlich "Winterstuben" in ihren Gemeindehäusern an. Allerdings soll es nicht nur ein Angebot für diejenigen sein, die unter der Energiekrise leiden. Jeder darf kommen.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein einfaches Kinder-Kartenspiel. In bunten Farben tummeln sich Möwen, Kakteen und Obstsorten auf den Kärtchen, die vor Pastor Thorsten Rose und seinen Mitspielerinnen liegen. Doch nur wer schnell ist und zwei gleiche Motive findet, kann "Dobble" gewinnen. "Kaktus!", ruft Pastor Rose. Und er hat Glück: Die Runde geht an ihn.

"Dobble" ist montagnachmittags ein sehr beliebtes Spiel bei "Luthers Winterstübchen" im Gemeindehaus der evangelischen Luther-Melanchthon-Gemeinde in Lübeck. Von 15 bis 16.30 Uhr ist jeder willkommen, sich bei einem Kaffee, Gespräch oder eben auch Kartenspiel aufzuwärmen - sowohl körperlich als auch seelisch.

Die Idee zu "Luthers Winterstübchen" hatte die Kirchengemeinde zu Beginn der Energiekrise im vergangenen Herbst. "Wir fanden, dass kalte Kirchen nicht unsere einzige Antwort auf die Krise sein dürfen", sagt Pastor Rose, der das Projekt mit seiner Kollegin Pastorin Constanze Oldendorf und weiteren Haupt- und Ehrenamtlichen entwickelte. Seit November 2022 bietet die Kirchengemeinde nun zweimal in der Woche "Luthers Winterstübchen" an.

Zwischen sechs und 15 Menschen kommen zu jedem Treffen, meist Senioren.
Acht Frauen sind an diesem Montagnachmittag gekommen. Diejenigen, die nicht gegen den Pastor im Kartenspiel antreten, sitzen zusammen, vertieft ins Gespräch. Es gibt Kaffee, Tee und Quarkbrötchen und es wird viel gelacht. "Hier bin ich abgelenkt von meinen Sorgen und lerne neue Leute kennen", sagt eine Lübeckerin. Außerdem sei es warm. Ihre eigene Wohnung heize sie aus Kostengründen nur bis maximal 19 Grad. "Da ist es ziemlich kalt."

Wie dieser Dame geht es gerade vielen Menschen. "Viele heizen zu Hause nur noch sehr, sehr wenig", sagt Pastorin Oldendorf. "Das ist aber etwas, das viele nicht laut aussprechen." Und obwohl ältere Menschen leichter frören als jüngere, würden gerade die Alten sparen, wohl auch in Erinnerung an ihre Kindheit, in der das schon einmal nötig gewesen war.

Alle sind willkommen

Gesa Hollaender, die das Projekt mit betreut, betont, dass es in "Luthers Winterstübchen" keinen "großen theologischen Input" gibt und es sich deshalb an alle Menschen richtet, unabhängig von ihrer Religions- und Konfessionszugehörigkeit.

Im Stadtteil Moisling, wo die Kirchengemeinde angesiedelt ist, leben viele Menschen allein, Rentner, Studierende, Alleinerziehende. Pastorin Oldendorf: "Wir wissen aus der Seelsorge, dass viele einsamer geworden sind. Sie trauen sich kaum aus dem Haus und meinen, dass sie woanders mit ihren Sorgen einfach nicht ankommen können." Die Winterstube ist auch ein Angebot an sie.

Inzwischen gibt es in Lübeck in der Laurentiusgemeinde am Standort Bugenhagenkirche und mit dem Wintercafé in St. Petri weitere solcher Angebote. So können Interessierte werktags jeden Tag eine warme Stube in Lübeck aufsuchen. Auch in Eckernförde gibt es seit dem 16. Januar fünf Orte der Wärme an fünf verschiedenen Wochentagen.

Die evangelische Kirchengemeinde Heide in Dithmarschen bietet montags bis freitags, von 14.30 Uhr bis 17 Uhr, im Gemeindehaus-Mitte am Markt 26a eine Wärmestube an. Tanja Karstens, die das Projekt als ehrenamtliche Mitarbeiterin betreut, beobachtet ebenfalls, dass viele Menschen kommen, weil sie sich ein Gespräch wünschen. "Aufwärmen und Kaffee trinken ist nur positiver Nebeneffekt", sagt sie.