Magdalena Jooß
Gewalt und Vergebung
"Zu vergeben hat mir die Augen geöffnet"
chrismon: Welche Spuren des Attentats beeinträchtigen heute noch Ihren Körper?
Yasin Güler: Nach 14 Operationen fehlt mir nicht nur die rechte Niere, die vom Messer durchstochen wurde, sondern auch der Blinddarm, die Gallenblase, ein Teil des Dickdarms und der Leber. Ich hatte eine Pankreatitis, mehrere Lungenembolien, einen künstlichen Darmausgang bis Anfang 2024 und lebe erst seit vergangenem Sommer ohne Dialyse. Meine verbleibende Niere funktioniert nur zu 28 Prozent, ich muss sehr auf meine Ernährung achten. Wegen hohen Cholesterinspiegels und Blutdrucks brauche ich Medikamente mit Nebenwirkungen. Mein Überleben war ein Wunder, das ich Gott und seinen Engeln zu verdanken habe: der zufällig anwesenden Rettungssanitäterin, den Ärzten, den Pflegekräften, meiner Mutter – die nächtelang an meinem Krankenbett wachte.
Wie wirkt das Trauma psychisch nach?
Ich kann immer noch in das Attentat zurückkatapultiert werden. Neulich am Düsseldorfer Hauptbahnhof schrie jemand auf meinem Bahnsteig: "Er hat ein Messer!" Ich stand wie angewurzelt, habe geweint und war nicht imstande, weiterzulaufen. Außerdem habe ich Angst vor Bärten – mein Attentäter trug einen. Diese Folgen sind aber gering im Vergleich zu den Phasen tiefer Verzweiflung vor dem Vergeben.