Guttenberg für offenere Debatte über Afghanistan

Guttenberg für offenere Debatte über Afghanistan
Der Afghanistan-Einsatz ist geprägt von "Lebenslügen", sagt Verteidigungsminister Guttenberg und formuliert "realitätsnahe Ziele" für die Bundeswehr. Außerdem möchte er die Debatte über den Einsatz in die Schulen tragen. Eine große Mehrheit der Bevölkerung lehnt den Einsatz einer Befragung zufolge ab, darauf will der Verteidigungsminister reagieren.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Definition realitätsnaher Ziele für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gefordert. "Wenn 70 Prozent der Deutschen den Einsatz ablehnen, muss das ein Anstoß sein, um die Relevanz des Einsatzes deutlicher zu erklären", sagte Guttenberg am Sonntag bei der "Zeit"-Matinee in Hamburg, einer gemeinsamen Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit" und Deutschlandradio Kultur. Dazu sei es nötig, dass man von "Lebenslügen" in Bezug auf den bisherigen Einsatz Abschied nehme und die Ziele realitätsnäher definiere.

"Die realitätsnahen Ziele sind, dass wir ein Grundmaß an Stabilität schaffen und dass von Afghanistan keine Gefährdung für die internationale Gemeinschaft mehr ausgeht, insbesondere für die unmittelbare Region", sagte Guttenberg. Es sei allerhöchste Zeit, die Diskussion über den Einsatz auch in Deutschland offen zu führen. Man müsse den jahrelang gepflegten Traum aufgeben, in Afghanistan eine Westminster-Demokratie nach westlichen Maßstäben herstellen zu können. Das sei schlichtweg eine Illusion.

Wieder Taliban-Führer getötet

Im Norden Afghanistans sind derweil erneut deutsche ISAF-Soldaten unter Beschuss geraten. In der Nähe des deutschen Feldlagers in Kundus griffen Aufständische am Samstag mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten an, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte. Bei dem Angriff wurden keine deutschen Soldaten verletzt. Kurze Zeit später sei im selben Raum ein Polizeihauptquartier beschossen worden. Auch dort befanden sich zu diesem Zeitpunkt deutsche Kräfte. Im April waren innerhalb von zwei Wochen sieben deutsche Soldaten in Afghanistan getötet worden, drei von ihnen an Karfreitag.

US-Spezialeinheiten in Afghanistan töteten nach "Spiegel"-Angaben einen Taliban-Kämpfer, der an dem tödlichen Anschlag an Karfreitag beteiligt war. Es handele sich um den Kommandeur Mullah Gai. Er sei im Unruhedistrikt Char Darah identifiziert und getötet worden, nachdem er mit einer Panzerfaust auf einen US-Helikopter geschossen hatte, berichtete das Nachrichtenmagazin.

Guttenberg: Diskussion in die Schulen tragen

Die Kampfkraft der Bundeswehr in Nordafghanistan wird sich nach Angaben des Verteidigungsministers in wenigen Wochen deutlich erhöhen. Guttenberg sagte "Bild am Sonntag": "Bis vor kurzem verfügten wir nur über sechs bis acht Hubschrauber im Norden Afghanistans. Ab Juni werden es Dank der Hilfe der USA deutlich über 50 Hubschrauber sein, die aber unter deutschem Kommando stehen." Der Minister reagierte mit seiner Bitte an die Bündnispartner auf die anhaltenden Probleme beim europäischen Kampf-Helikopter "Tiger", dessen Serienproduktion sich wegen anhaltender technischer Probleme noch für Jahre verzögere.

Angesichts der zunehmenden Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes bei den Bundesbürgern sprach sich Guttenberg dazu aus, dass Bundeswehrsoldaten mit Einsatz-Erfahrung Schülern Rede und Antwort stehen sollen. "Ich kann Schulen und öffentliche Einrichtungen nur ermuntern, ihre Türen für unsere Soldaten und die Realität zu öffnen, beispielsweise auch für kritische Debatten über Afghanistan-Einsätze", sagte Guttenberg weiter. Nach den jüngsten Todesfällen in Afghanistan sprachen sich in Umfragen 70 Prozent der Deutschen für einen möglichst schnellen Bundeswehr-Abzug aus.

dpa