Euro-Rettung: Koalition streitet über Finanz-Steuer

Euro-Rettung: Koalition streitet über Finanz-Steuer
Das 750-Milliarden-Paket zur Rettung des Euro hat in der schwarz-gelben Koalition heftigen Streit über eine Transaktionssteuer auf weltweite Finanzgeschäfte ausgelöst.

Die Bundesregierung hat den deutschen Anteil am Rettungspaket für den Euro auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte den Gesetzentwurf auf einer Sondersitzung, doch hinter den Kulissen brodelt es. Für Unmut in der FDP sorgt die Zusage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenüber den EU-Partnern, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu prüfen.

Das Kabinett beschloss am Dienstag in Berlin bei einer Sondersitzung den Gesetzentwurf für die deutschen Kreditgarantien zur Stabilisierung der Euro-Zone. Merkel verteidigte in der Unionsfraktion das Hilfspaket gegen Kritik aus den eigenen Reihen.

Westerwelle: "Kein Dissens in der Koalition"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahm überraschend nicht an der Kabinettssitzung teil. Er liegt erneut im Krankenhaus und soll sich "ein paar Tage" schonen. Spekulationen um einen Rücktritt des gesundheitlich angeschlagenen Ministers wies Merkel zurück.

Die FDP lehnt eine Finanztransaktionssteuer ab. Zuletzt signalisierte sie Zustimmung zumindest für eine Steuer auf Finanzaktivitäten. Diese würde Gewinne und Gehälter von Banken betreffen, aber nicht sämtliche Finanzgeschäfte. Den Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) für eine Steuer auf Finanzaktivitäten hatte kürzlich auch Merkel favorisiert.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte am Abend im ZDF: "Wir müssen heute dafür sorgen, dass es transparente Rahmenbedingungen gibt, damit es diese Verirrungen und Spekulationsgeschäfte in zum Teil absurder Weise nicht mehr geben kann." Darüber sei "überhaupt kein Dissens in der Koalition", sagte der Außenminister. Klar sei aber auch, dass eine solche Regelung keine Sparer treffen dürfe oder Leute, "die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben oder eine Riester-Rente machen".

Transaktionssteuer soll Spekulationen eindämmen

SPD, Grüne und Linke sind seit längerem für die Einführung einer globalen Finanztransaktionssteuer, um Spekulationen einzudämmen. Diese sogenannte Tobin-Steuer hat international bisher aber kaum eine Chance auf Umsetzung, da wichtige Wirtschaftsnationen sie ablehnen.

Auslöser des Koalitionsstreits ist eine zusätzliche Vereinbarung zum Euro-Rettungsschirm über die Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenlasten. Darin heißt es unter anderem, dass die Möglichkeit einer globalen Transaktionssteuer ausgelotet werden soll.

FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms kritisierte: "Das ist ärgerlich, aber das wird in dieser Form nie kommen." FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte: "Die Union schluckt eine Kröte zulasten von Sparern und Anlegern. Wir machen uns das nicht so leicht."

SPD zögert mit Zustimmung zum Rettungspaket

Für eine Transaktionssteuer macht sich auch die CSU stark. "Wir glauben, dass eine Finanzmarkt-Transaktionssteuer eine der Möglichkeiten ist, (...) den Risikohunger der internationalen Spekulanten zu hemmen", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Generalsekretär Alexander Dobrindt betonte, damit könnten Spekulationen eingedämmt und die Finanzbranche beteiligt werden.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier will mit der SPD neue Verhandlungen führen. "Ich bin dagegen, dass wir irgendwelche Tabus aufstellen", sagte der CDU-Politiker. Allerdings dürfe man die Maßnahmen nicht auf ein Instrument verengen.

Die SPD lässt offen, ob sie dem Rettungspaket zustimmt. "Zunächst muss die Regierung genau beziffern, welche neuen Belastungen tatsächlich auf Deutschland zukommen", sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Erfreulich sei, dass die Transaktionssteuer bei den EU-Beratungen als Prüfauftrag aufgenommen worden sei. Der Bundestag könnte noch im Mai abstimmen, der Bundesrat Anfang Juni. Ein Eilverfahren wie bei den Griechenland-Hilfen ist nicht nötig.

Seehofer für verschärfte Bankenabgabe

CSU-Chef Horst Seehofer hat weitere Konsequenzen aus der Währungskrise gefordert. "Jetzt ist es dringend notwendig, den aufgeweichten Stabilitätspakt zu verschärfen und seine Einhaltung strikt zu gewährleisten", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). "Wir müssen die Banken und die Finanzbranche durch eine verschärfte Bankenabgabe und die Einführung einer Transaktionssteuer heranziehen zur Finanzierung der Folgen. Wir brauchen einen geregelten Finanzmarkt, die Vorschläge von der europäischen Ratingagentur bis hin zur Bankenaufsicht müssen endlich umgesetzt werden." Viele der Vorhaben, so Seehofer, könnten noch vor der Sommerpause auf den Weg gebracht und oder sogar umgesetzt werden.

Als Lehre aus der Euro-Krise hält der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger eine Einschränkung der Budgethoheit des Bundestags für nötig. "Die EU-Kommission muss das Recht bekommen, bereits vor und nicht erst nach der Haushaltsverabschiedung zu prüfen", sagt der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Mittwoch). In der Vergangenheit seien die Haushaltsziele auch deshalb verfehlt worden, weil Brüssel zu spät habe eingreifen können.

EU-Rettungsschirm alternativlos

Die Kommission stellt heute ein Reformpaket für die Währungsunion vor. Künftig sollen die Regierungen demnach ihre Etat-Entwürfe in Brüssel prüfen lassen, bevor sie von den nationalen Parlamenten verabschiedet werden. Auch die Wettbewerbsfähigkeit will die EU künftig regelmäßig überwachen, um die bestehenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Euro-Zone auszugleichen.

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, bekräftigte die Kritik an der Kommunikationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Man kann in schicksalhaften Momenten für unser Land und für Europa nicht nur hinter verschlossenen Türen und in geschlossenen Zirkeln Rettungsinstrumente und Rettungswege aushandeln", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch).

Der Chef der Wirtschaftsweisen, der Mannheimer Professor Wolfgang Franz, sieht keine Alternative zum EU-Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro. Damit er möglichst wenig in Anspruch genommen wird, müssten die meisten Mitgliedsstaaten sich jetzt einem eisernen Sparkurs verschreiben, sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch). Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger bezeichnete das Rettungspaket in der "Pforzheimer Zeitung" (Mittwoch) als alternativlos. "Allerdings wäre es gut gewesen, man hätte das viel früher gemacht. Die Bundesregierung hat viel zu lange gewartet."
 

60 Milliarden Euro sofortige Notfall-Hilfe

Der deutsche Garantierahmen für Notkredite an klamme Euro-Länder beträgt maximal 123 Milliarden Euro. Er kann auf rund 148 Milliarden Euro steigen, wenn Länder nicht mitziehen, die selbst Hilfen gegen eine Pleite benötigen. Die Garantiezusagen sollen auf drei Jahre befristet sein. "Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf kann die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses um 20 Prozent überschritten werden", heißt es im Gesetzentwurf.

Das Euro-Rettungspaket umfasst insgesamt Hilfen von bis zu 750 Milliarden Euro. Als erste Notfall-Hilfe können 60 Milliarden Euro der EU-Kommission sofort fließen. Reicht das Geld nicht, leisten die Euro-Staaten Kreditgarantien von bis zu 440 Milliarden Euro. Hinzu kommen Hilfen des IWF, der sich mit "mindestens der Hälfte der von europäischer Seite aufgebrachten Mittel" an Hilfen beteiligt.

Schäuble verpasste mit der Kabinettssitzung erneut einen wichtigen Termin im Ringen um eine Stabilisierung des Euro. Er war am Montag aus einem Brüsseler Krankenhaus entlassen worden und nach Deutschland zurückgekehrt. Zuvor musste er seine Teilnahme am Krisengipfel der EU-Finanzminister in Brüssel absagen.

dpa