Griechen protestieren gegen radikale Sparpläne

Griechen protestieren gegen radikale Sparpläne
Während es in Griechenland am Maifeiertag zu heftigen Protesten gegen die geplanten Sparmaßnahmen kam, will die Bundesregierung die EU-Stabilitätskriterien drastisch verschärfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der "Bild am Sonntag", in letzter Konsequenz müsse es künftig möglich sein, "einem Land, das seine Verpflichtungen nicht einhält, zumindest vorübergehend das Stimmrecht zu nehmen. Deutschland hält das für unerlässlich." In Athen kam es am Samstag bei den Maikundgebungen wegen der massiven Sparmaßnahmen für die Griechen erneut zu Krawallen. Die Griechen sorgen sich um ihre Zukunft. Mehr als 94 Prozent der Bürger glauben einer Umfrage zufolge, ihnen stehen noch schlimmere Tage bevor.

Spätestens am Sonntag wollten Internationaler Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäische Zentralbank (EZB) ihre Verhandlungen mit Athen über das auf drei Jahre angelegte Sparprogramm abgeschlossen haben. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou rief für Sonntagmorgen den Ministerrat zusammen - offensichtlich, um den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit den Experten bekanntzugeben. Im Anschluss will Finanzminister Giorgos Papakonstantinou die Umrisse der Maßnahmen den Medien vorstellen. Danach will er in Brüssel die Vereinbarung den Finanzministern der Euro-Gruppe vorlegen, die über ihre Hilfszusagen entscheiden müssen.

Hilfen sind nicht unumstritten

Vom Umfang des Sparprogramms hängt nach Angaben des Bundesfinanzministeriums ab, wie hoch die Zahlungen in den kommenden Jahren sind. Sollten die Griechen die Maßnahmen akzeptieren, könnten in Deutschland bis kommenden Freitag die gesetzlichen Voraussetzungen für die Hilfen geschaffen werden. Die Hilfen für Athen sind innerhalb der schwarz-gelben Koalition und in den Bundesländern nicht unumstritten.

Für 2010 will der IWF bis zu 15 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, die Euro-Partner 30 Milliarden, wovon Deutschland wiederum 8,4 Milliarden trägt. Der IWF stellt sich laut "Spiegel" darauf ein, zehn Jahre in dem Land zu bleiben. Für die ersten drei Jahre der Hilfen will der IWF insgesamt 27 Milliarden Euro bereitstellen. Zur Zeit wird von einem Verhältnis der Hilfen von IWF und Euro-Ländern von 1:2 ausgegangen.

Merkel sprach sich am Samstag erneut mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy telefonisch über das weitere Vorgehen aus. Mit Blick auf die Konsequenzen der Griechenlandkrise sagte sie, Deutschland habe durchgesetzt, dass in der EU noch im Mai eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Finanzminister eingerichtet wird, die sich mit notwendigen Vertragsänderungen beschäftige.

Geordnete Insolvenz für Staaten?

Zudem wird in der Bundesregierung über eine geordnete Insolvenz für Staaten nachgedacht. In dem Fall müssten alle Gläubiger auf Forderungen verzichten und das überschuldete Land eine Sanierung mitmachen. "Es gibt dabei keine Tabus", zitiert der "Focus" ein Regierungsmitglied. Nach diesen Informationen lässt die Regierung den freiwilligen oder zwangsweisen Ausstieg von Mitgliedern aus der Eurozone prüfen. Das Finanzministerium habe dazu Mitte April ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das kommende Woche vorliegen soll.

FDP-Chef Guido Westerwelle verlangte in der "Rheinischen Post" (Samstag) für die Euro-Gruppe das Recht auf scharfe Eingriffe in die Haushaltspolitik der Mitgliedsländer. Die "Welt am Sonntag" (WamS) berichtete, nach Überlegungen des Auswärtigen Amts solle die deutsche Schuldenbremse auf den gesamten Euro-Raum ausgeweitet werden.

SPD-Chef widerspricht

Merkel begrüßte die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, einen Beitrag zur Griechenlandhilfe zu leisten. Dagegen nannte SPD-Chef Sigmar Gabriel das Angebot in der "Neuen Westfälischen" (Samstag) eine «Beruhigungspille». Der Zorn darüber, dass Steuerzahler erneut für das Zocken der Banken und Spekulanten bezahlen müssten, solle so besänftigt werden. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der dpa: "Man redet öffentlich davon, um eine reale und substanzielle Beteiligung abzuwenden."

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer kritisierte im MDR Info, die Politik schone Banken und Spekulanten weiterhin. Zum Tag der Arbeit forderte er harte Auflagen für den Kapitalmarkt, um eine zweite Finanzkrise zu verhindern. IG-Metall-Chef Berthold Huber kritisierte Schwarz-Gelb: Bis heute seien die Krisenursachen nicht untersucht und keine Gesetze gegen Finanzmarktspekulationen erlassen worden, sagte der Chef der größten deutschen Einzelgewerkschaft.

Öffentlich-rechtliche Ratingagentur gefordert

Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer verlangte eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur auf europäischer Ebene und warf Merkel in einem dpa-Gespräch vor, zu lange mit der Hilfszusage für Athen gezögert zu haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, sagte der dpa: "Das ist Wahlkampfpolemik." Der CSU-Politiker Stefan Müller hielt die Milliardenhilfen an Griechenland in einem dpa-Gespräch für "ärgerlich, aber alternativlos".

An den Maidemonstrationen in Athen beteiligten sich nach Schätzungen mehr als 10.000 Menschen, zumeist Staatsbedienstete und Mitglieder oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE). Am Nachmittag kam es zu Krawallen. Autonome warfen Steine auf die Polizei und attackierten auch Fernsehteams. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben und die Journalisten zu schützen.

Die Demonstranten zogen anschließend durch das Stadtzentrum. Dabei kam es erneut zu Ausschreitungen bei denen ein Übertragungswagen des staatlichen Fernsehen völlig ausbrannte. Vermummte Demonstranten lieferten sich anschließend Schlägereien mit der Polizei und warfen Steine auf Schaufenster und Banken in den engen Gassen des Athener Stadzentrums. Auch in anderen griechischen Städten gingen tausende Menschen auf die Straße.

dpa