Der Zivildienst hängt in der bürokratischen Schwebe

Der Zivildienst hängt in der bürokratischen Schwebe
Wer in diesem Sommer seinen Zivildienst antritt, weiß nicht, was ihn erwartet. Eigentlich soll der Zivildienst ab dem 1. August nur noch sechs Monate dauern. Dazu müsste der Gesetzentwurf zügig vom Bundestag verabschiedet werden. Doch in der Koalition herrscht Streit und Stillstand. Union und FDP sind mit der Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes von neun auf sechs Monate bisher nicht weit gekommen.
30.04.2010
Von Bettina Markmeyer

Der Streit dreht sich um die Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes auf bis zu einem Jahr. Die Union will sie unbedingt. Sie ist bereits in dem Gesetzentwurf enthalten, dessen Eckpunkte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im März gemeinsam vorgestellt haben. Die FDP, die Wehrpflicht und Zivildienst am liebsten ganz abschaffen würde, lehnt das ab. Der Gesetzentwurf sei nicht abgestimmt, kritisiert sie.

"Man kann erwarten, dass die Union nun auf uns zukommt", sagt Florian Bernschneider, Zivildienst-Experte der Liberalen. Das sieht man beim Koalitionspartner genau andersherum. Die FDP müsse sich bewegen - im eigenen Interesse. Andernfalls riskierten die Liberalen, dass die Verkürzung des Wehrdienstes an der Zivildienstfrage scheitere, heißt es in der Unions-Fraktion.

Freiwillige Verlängerung als Bedingung für die Erhaltung des Dienstes

Nun sollen am Dienstag kommender Woche im Koalitionsausschuss die Fraktions- und Parteispitzen über den Zivildienst-Streit verhandeln - wenn denn noch Raum bleibt, angesichts der alles verdrängenden Griechenland-Frage, für die bereits die Kabinettssitzung auf Montag vorverlegt worden ist.

Die Wohlfahrtsverbände, Hauptanbieter von bundesweit rund 111.000 Zivildienststellen, haben in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Birgit Homburger (FDP) deutlich gemacht, was sie erwarten. Weil die geplante Verkürzung des Zivildienstes "die sozialen Dienste und Einrichtungen erheblich belastet, begrüßen wir die Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes als einen Lösungsansatz".

Familienministerin Schröder hat die Verkürzung des Zivildienstes politisch an die freiwillige Verlängerungsmöglichkeit geknüpft. Sie will verhindern, dass die Träger abspringen. Sie gehe davon aus, sagte sie dem epd, dass jeder dritte Zivi länger als sechs Monate auf seinem Posten bleiben wird. Für sie sei die freiwillige Verlängerung daher "essenziell für den Fortbestand des Zivildienstes".

Freiwillige Verlängerung als "Skandal" und Ausbeutung

Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (KDV) und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sehen in der freiwilligen Verlängerung hingegen die Rekrutierung von Billigarbeitskräften für private und öffentliche Pflegeanbieter. Umgerechnet 3,75 Euro in der Stunde bekommt ein Zivi, hat die Zentralstelle KDV errechnet. Es sei ein "Skandal", sagt ver.di-Chef Frank Bsirske, wenn die Bundesregierung bis zu 30.000 Zivis als Billigkräfte beschäftigen wolle, in einer Branche, in der gerade "mühsam ein Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten für Pflegehilfskräfte eingeführt wurde".

Außerdem, prognostiziert die Zentralstelle KDV, werde sich der Zivildienst in der Regel nicht verkürzen, sondern verlängern. Attraktive Stellen könnten künftig an die Bedingung geknüpft werden, dass der Zivi ein Jahr bleiben muss. Für die Grünen sind die Verlängerungspläne daher verfassungswidrig. Eine freiwillige Verlängerung sei vom Grundgesetz nicht gedeckt, sagt Zivildienst-Experte Kai Gehring. Die SPD wirft den Regierungsfraktionen Untätigkeit auf Kosten der Zivis und Konzeptionslosigkeit vor.

Mehrkosten statt Einsparungen durch freiwillige Verlängerung?

Nun will auch noch der Bundesfinanzminister mitreden. Die Ergebnisse müsse man abwarten, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums dem epd. FDP-Experte Bernschneider ist indes sicher, dass für den Zivildienst statt der errechneten Einsparungen von 160 Millionen Euro durch die Verlängerungsoption Mehrkosten entstehen.

Angesichts dieser Gemengelage sehen Beobachter wie der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, schwarz. Er empfiehlt, "die Entscheidung um ein Jahr zu verschieben. Sonst wird das mit heißer Nadel gestrickt". Dann allerdings, so Schneider, müsste die Möglichkeit zur freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes Bestandteil der Reform sein.

epd