Benimmlehrerin bringt Israelis Manieren bei

Benimmlehrerin bringt Israelis Manieren bei
Ungeschliffene Umgangsformen können zu Missverständnissen führen. Deshalb hat es sich die Benimmlehrerin Leibovitz zum Ziel gemacht, israelischen Geschäftsleuten bessere Manieren beizubringen.
30.04.2010
Von Sara Lemel

Es kann schon mal vorkommen, dass sie im Schlabber-T-Shirt zum Geschäftsessen erscheinen und dann das ganze Restaurant an einem lautstarken Handy-Gespräch teilhaben lassen. Was im eigenen Land normal erscheint, kann jedoch im Kontakt mit ausländischen Geschäftsleuten schnell für Irritationen sorgen. Daher erfreuen sich Benimmkurse für Israelis wachsender Beliebtheit.

Gutes Benehmen eigentlich tief verwurzelt

"Die Israelis sind gerne direkt, natürlich", beschreibt die Benimmlehrerin Tami Lancut Leibovitz die typische Zwanglosigkeit ihrer Landsleute. Weil dies aber im Ausland zu Missverständnissen führen kann, hat sie es sich zum Ziel gemacht, ihnen bessere Manieren beizubringen. In ihrem Büro im Zentrum Tel Avivs, wo sie ihren Kunden den richtigen Schliff verpasst, stehen zwei lebensgroße Puppen mit flotter Business-Kleidung und zahlreiche Utensilien für ihre Kurse.

"Israelis hören oft nicht zu und unterbrechen ihre Gesprächspartner", sagt Leibovitz. "Sie sind sehr ungeduldig." Den Grund für das mitunter raue Verhalten vieler Israelis sieht sie in der Einwanderungsgeschichte des 62 Jahre jungen Landes und in der harten Nahost-Realität. "Die Einwanderer mussten zu Beginn jeden Luxus hinter sich lassen und wohnten in Zelten", erklärt sie. Im täglichen Überlebenskampf seien feine Manieren schnell auf der Strecke geblieben. Dabei sei gutes Benehmen in der jüdischen Kultur eigentlich tief verwurzelt.

Außen stachelig und innen süß

Auch der Mythos des hart arbeitenden Pioniers in dem ehemaligen sozialistischen Land mag dazu beigetragen haben, dass die Sitten gröber wurden. Nach dem Holocaust galt feines Benehmen bei vielen als Zeichen der Schwäche und als Eigenschaft des "Diaspora-Juden", die man ganz abschütteln wollte.

Der starke jüdische Pionier sollte im Schweiße seines Angesichts die Sümpfe trockenlegen und nicht gepflegt parlieren. Gerade die "Jekkes" - Einwanderer aus Deutschland - wurden damals wegen ihrer "übertrieben höflichen" Umgangsformen verhöhnt. Nicht umsonst ist das Symbol des "neuen Israeli" die Kaktusfeige (Sabre): außen stachelig und innen süß.

Hand des Geshäftspartners nicht zu kräftig drücken

Im Zeitalter der Globalisierung kann unpassendes Benehmen jedoch sehr geschäftsschädigend sein. Benimm-Guru Lancut Leibovitz, die auch viele arabische Kunden hat, bläut ihren Schülern ein, sie müssten vor allem den persönlichen Raum ihres Gegenübers respektieren. "Auf keinen Fall zu eindringliche Fragen zum Privatleben stellen", warnt sie. In Israel ist es gar nicht ungewöhnlich, ganz unverblümt nach der Höhe des Gehalts und der Anzahl der Kinder zu fragen.

Sie hat auch praktische Tipps parat: Auf einer Geschäftsparty solle man den Stiel des Weinglases immer in der linken Hand halten, damit man mit der rechten neuen Gesprächspartnern die Hand schütteln kann - aber bitte nicht zu kräftig drücken!

"Kleine Manieren für große Kinder"

Lancut Leibovitz hat ihre Weisheiten in mehreren Büchern zusammengefasst, darunter ist eine Art israelischer Knigge mit dem Titel "Eine Frage der Höflichkeit". "Kleine Manieren für große Kinder" lautet der Titel ihres Buchs speziell für junge Israelis. Tischsitten sind darin, wie bei den Erwachsenenbüchern, ein ganz wichtiges Kapitel: "Langsam und mit geschlossenem Mund essen, Ellenbogen dicht am Körper, "Bitte" und "Danke" sagen und niemals am Tisch Zahnstocher benutzen - das ist furchtbar hässlich", lauten die goldenen Regeln.

Ungeachtet aller Kritik kann die Etikette-Trainerin ihren Landsleuten auch viele gute Seiten abgewinnen. Ein positives Beispiel für gutes Benehmen und Auftreten auch auf internationaler Bühne ist für sie der Staatspräsident Schimon Peres. "Ach, er ist wunderbar!", schwärmt die dunkelblonde Frau, "ich wünschte, wir hätten mehr von der Sorte."

dpa