Künftige Ministerin Özkan löst Kreuz-Streit aus

Künftige Ministerin Özkan löst Kreuz-Streit aus
Die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) erntet mit ihrer Forderung nach einem Kruzifixverbot an staatlichen Schulen entschiedenen Widerstand in den eigenen Reihen.
26.04.2010
Von Monika Wendel

Noch vor ihrem Amtsantritt ist die künftige niedersächsische Sozial- und Integrationsministerin Aygül Özkan (CDU) angeeckt. Die erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland sprach sich gegen Kreuze und Kopftücher in öffentlichen Schulen aus - und sorgte mit diesem "heißen Eisen" für Unmut in der Union. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der für die Berufung Özkans vorige Woche gelobt wurde, reagierte verärgert. Er stellte am Wochenende schnell klar, dass die Landesregierung Kreuze an Schulen begrüße. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit schlug Özkan einen Wechsel zu den Sozialdemokraten vor.

Dem Magazin "Focus" sagte die 38 Jahre alte Özkan, christliche Symbole gehörten nicht an staatliche Schulen. Für Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gelte das nicht, generell sollten aber Schulen ein neutraler Ort sein. Deshalb hätten auch Kopftücher in Klassenzimmern nichts zu suchen, meinte Özkan. Die Juristin ist nicht streng gläubig und hat selbst nie ein Kopftuch getragen.

Generalsekretär widerspricht

Herbe Kritik an ihren Aussagen kam aus den Reihen der eigenen Partei. "Ich schätze Frau Özkan sehr, bin aber hier eindeutig anderer Meinung", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" (Montag) in Essen. Politiker, die Kreuze aus Schulen verbannen wollen, sollten sich überlegen, ob sie in einer christlichen Partei an der richtigen Stelle seien, schimpfte der Integrationsbeauftragte der CDU/CSU- Bundestagsfraktion und Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller. In Bayern hatte es einen jahrelangen Rechtsstreit um die Kruzifixe gegeben, die aber weiter in den Klassenzimmern staatlicher Schulen erlaubt sind.

Die Union sei "noch nicht reif" für eine türkischstämmige Ministerin, meinte SPD-Vize Wowereit. Die Debatten über den EU- Beitritt der Türkei oder die doppelte Staatsbürgerschaft machten deutlich, wie die wirkliche Haltung der Christdemokraten in der Integrationspolitik sei. Berlins Regierender Bürgermeister riet Özkan, sich gründlich zu überlegen, ob sie Mitglied der richtigen Partei sei. "Die Forderungen von Frau Özkan finden in der SPD schon lange eine breite Zustimmung." Die CDU betreibe mit Özkans Berufung reine Symbolpolitik, kritisierte Wowereit.

"Von christlicher Tradition geprägt"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete die Haltung Özkans als völlig indiskutabel. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), wies die Forderung Özkans zurück, lobte aber zugleich die Berufung der Muslimin in das Landeskabinett als "geradezu richtungsweisend".

Der CSU-Politiker Herrmann sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagsausgabe), Deutschland sei von der christlichen Tradition geprägt. Das solle auch der jungen Generation in den Schulklassen vermittelt werden. Der frühere bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) verwies die Deutsch-Türkin Özkan auf das Grundgesetz. Dieses sei nach der NS-Zeit mit ausdrücklicher Rückbesinnung auf das christliche Menschenbild verabschiedet worden, sagte Goppel, Vorsitzender des Geprächskreises der "ChristSozialen Katholiken".

Schüler-Union fordert Verzicht auf Özkan

Staatsministerin Böhmer sagte am Montag im Deutschlandfunk, Deutschland stehe in einer Jahrhunderte alten christlichen Tradition: "Kreuze in den Schulen sind Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses." Die Forderung Özkans sieht Böhmer jedoch nicht als Hindernis für die CDU-Politikerin, das Ministeramt anzutreten. "Natürlich sollen Migranten alle Möglichkeiten in unserem Land haben", betonte Böhmer.

Unterdessen forderte der Bundesvorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation Schüler-Union, Younes Ouaqasse, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christan Wulff (CDU) auf, auf die Ernennnung Özkans zur Ministerin zu verzichten. "Diese Frau hat ihre Kompetenzen überschritten", sagte Ouaqasse der "Bild"-Zeitung (Montagausgabe). Durch Aussagen wie die von Özkan verlören die Volksparteien CDU und CSU ihre Glaubwürdigkeit und damit ihren Rückhalt in der Bevölkerung.

Kein leichter Start im Ministeramt

Niedersachsens Regierungschef Wulff schien die Debatte am Wochenende schnell beenden zu wollen - er distanzierte sich unmissverständlich von der Position Özkans. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Wulff: "In Niedersachsen werden christliche Symbole, insbesondere Kreuze in den Schulen, seitens der Landesregierung im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt."

Aus Gründen der Religionsfreiheit würden auch Kopftücher bei Schülerinnen toleriert - nicht aber bei Lehrkräften, was Özkan auch gemeint habe. "Frau Özkan hat ihre persönliche Meinung zur weltanschaulichen Neutralität geäußert, aber sie stellt die niedersächsische Praxis nicht in Frage."

Der 38 Jahre alten CDU-Politikerin aus Hamburg steht kein leichter Start im Ministeramt bevor. An diesem Dienstag wird sie in Hannover mit drei weiteren Ministern vereidigt. Özkan steht seit einigen Tagen unter Polizeischutz. Die "Bild am Sonntag" berichtete, Özkan erhalte Morddrohungen von Rechtsradikalen. In E-Mails und Foren hätten Unbekannte geschrieben, dass etwas passieren werde, wenn die Muslimin den Posten annehme, schrieb der "Focus". Özkan reagierte aber selbstbewusst - sie wolle sich nicht einschüchtern lassen.

dpa/epd