Überraschungsgast Obama redet Karsai ins Gewissen

Überraschungsgast Obama redet Karsai ins Gewissen
US-Präsident Barack Obama ist am Sonntag erstmals in seiner Amtszeit nach Afghanistan gereist. Bei dem Überraschungsbesuch in dem kriegsgeschüttelten Land mahnte er Veränderungen an.

In Kabul redete Obama seinem Amtskollegen Hamid Karsai ins Gewissen. Insbesondere forderte er mehr Fortschritte im Kampf gegen den Drogenhandel, aus dem sich die Rebellen im Land finanzieren, und gegen die Korruption in der afghanischen Regierung. Der Präsident drängte ferner zu einem Ende der Vetternwirtschaft und Belohnung von Milizenchefs bei der Besetzung von Ämtern. Es war Obamas erste Afghanistan-Visite seit seiner Amtsübernahme am 20. Januar vergangenen Jahres. Bereits zuvor war er während des Wahlkampfs an den Hindukusch gereist.

Ein hochrangiger Washingtoner Regierungsbeamter charakterisierte das rund 30-minütige Gespräch mit Karsai anschließend als "sehr produktiv und geschäftsmäßig". Der afghanische Präsident selbst sprach von einer guten Diskussion. Obama lud Karsai für den 12. Mai nach Washington ein. Der US-Präsident nutzte die Gelegenheit auch zu einer Rede vor Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram. Dabei zeigte er sich überzeugt, dass die USA und deren Verbündete vor Ort zusammen mit den afghanischen Sicherheitskräften "den Job erledigen werden".

Betrugsvorwürfe gegen Karsai

Im Dezember hatte Obama eine Aufstockung der in dem Land stationierten US-Truppen um 30.000 Soldaten verfügt, damit wird die Zahl auf 100.000 steigen. Außerdem sind mehr als 40.000 Soldaten aus anderen Ländern in Afghanistan im Einsatz, so auch aus Deutschland. US-Medien zitierten Kreise um Obama vor dem Treffen mit den Worten, der US-Präsident wolle Karsai zu durchgreifenden Änderungen in dessen zweiter Amtszeit drängen. Karsais Wiederwahl im vergangenen Jahr war von Vorwürfen des massiven Wahlbetrugs überschattet.

Der Präsident wolle mit Karsai reden, "damit er in seiner zweiten Amtszeit versteht, dass es gewissse Dinge gibt, die fast seit dem ersten Tag vernachlässigt worden sind. Das sind Sachen wie ein leistungsorientiertes System bei der Berufung von wichtigen Regierungsbeamten, der Kampf gegen Korruption und gegen Drogenhändler", sagte Obamas Sicherheitsberater James Jones auf dem Flug nach Afghanistan.

"Fortschritte im zivilen Bereich"

Der Präsident selbst sprach nach dem Treffen mit Karsai von Fortschritten, so auf militärischem Gebiet, aber er fügte hinzu: "Wir wollen auch auch weiterhin Fortschritte im zivilen Bereich machen." In diesen Zusmamenhang erwähnte Obama auch das Justizsystem. Karsai bedankte sich für den amerikanischen Einsatz in den mehr acht Jahren, die der Krieg nunmehr dauert.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sagte, Karsai sei am Donnerstag über die Reisepläne Obamas informiert worden. In Washington hatte es zunächst geheißen, Obama erhole sich am Wochenende auf dem Präsidenten-Landsitz Camp David im US-Bundesstaat Maryland. Von dort aus flog Obama dann aber am Samstagabend (Ortszeit) nach Afghanistan ab. Er landete zunächst in Bagram und wurde von dort per Helikopter nach Kabul geflogen. Dort gab es im Präsidentenpalast zunächst ein zehnminütiges Begrüßungszeremoniell.

Rede vor US-Soldaten

Bei seinem Aufenthalt in Afghanistan kam der Präsident auch mit dem US-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal und dem amerikanischen Botschafter Karl Eikenberry zusammen. In seiner Rede vor den Soldaten in Bagram sagte Obama, es werde weiterhin Rückschläge geben, "aber wir werden unseren Job erledigen". Erneut erteidigte der Präsident die US-Truppenaufstockung. "Wir haben diesen Krieg nicht gewählt", sagte Obama. "Wir wollten unseren Einfluss nicht ausdehnen oder uns in ausländische Angelegenheiten einmischen. Wir wurden am 11. September 2001 angegriffen."

Wenn es nicht gelinge, el-Kaida-Terroristen und Taliban erfolgreich zu bekämpfen, "wenn Afghanistan zurückgleitet, dann werden mehr Leben von Amerikanern auf dem Spiel stehen, und die Welt wird deutlich weniger sicher sein", sagte Obama, der sich ausdrücklich auch bei den verbündeten Truppen in Afghanistan für deren Einsatz bedankte.

dpa