Nach dem Papstbrief: Großes Kino für die Jugend

Nach dem Papstbrief: Großes Kino für die Jugend
Gerade nach den Missbrauchskandalen kommen die Jugendgottesdienste von Jochen Boos an. Seine Botschaft: Lasst euer Leben nicht von anderen bestimmen. Die Gottesdienste sind unkonventionell und beliebt - abgeschreckt haben die Missbrauchsfälle die jungen Stuttgarter Besucher der Feiern nicht.
21.03.2010
Von Bernward Loheide

Den neuen Hirtenbrief des Papstes hat Jochen Boos noch nicht gelesen, als er am Samstag um 18 Uhr feierlich in die Kirche einzieht. Dafür war einfach keine Zeit. Schon seit Mittag hat der Vikar mit seinem Team letzte Vorbereitungen getroffen: Es ist Jugendgottesdienst in St. Mariä Himmelfahrt in Winterbach bei Stuttgart. Und tatsächlich: Mehr als 50 Jugendliche sind gekommen. Sie haben sich nicht abschrecken lassen von dem Skandal, der die katholische Kirche seit Wochen erschüttert.

"Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in euch gesetzt wurde, verraten" - so geißelt Benedikt XVI. die irischen Bischöfe, die dem tausendfachen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen kein Ende setzten. Auch die Bischöfe in Deutschland fühlen sich angesprochen. Sie wissen: Es wird lange dauern, bis die Kirche ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnt.

"Du hast ein Recht auf eigenes Leben"

Das weiß auch Jochen Boos, der vor vier Jahren zum Priester geweiht wurde und am liebsten Jugendarbeit macht. Er war früher selber Schüler in einem katholischen Internat, hat dort aber nur gute Erfahrungen gemacht. "Sonst wäre ich heute kein Priester", sagt er. Mit seiner Begeisterung für Gott will er Jugendliche anstecken - und greift dafür gerne zu unkonventionellen Methoden: Karate im Altarraum, Fürbitten per SMS, platzende Ballons am Tabernakel - seine "Erlebnisgottesdienste" sind nichts für strenge Traditionalisten.

Auch diesmal gibt es wieder großes Kino: Filmszenen aus dem 3-D-Spektakel "Avatar" huschen über die Altarwand; Jugendliche in Bauarbeitermontur suchen in der Kirche nach Bodenschätzen; andere reißen an Ketten und wollen sich befreien. "Du hast ein Recht auf ein eigenes Leben; es gibt kein Recht auf Ausbeutung": Dieses "Avatar"-Motiv durchzieht den Gottesdienst - und gewinnt plötzlich eine doppelte Bedeutung, denn kurz zuvor hat der Papst die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in der Kirche scharf verurteilt.

Den Sündern einfach so verzeihen?

"Ich finde es richtig, dass jetzt alles aufgeklärt wird und nichts mehr verschwiegen werden darf", sagt der 16-jährige Florian nach der Messe. "Was passiert ist, hält mich aber nicht davon ab, weiter in die Kirche zu gehen." Der 15-jährige Simon, der wie Florian vor einigen Monaten gefirmt wurde, sieht das genauso: "Die Kirche sollte nicht den Anschein erwecken, dass sie so etwas duldet. Aber Jesus ist auch zu den Sündern gegangen und hat ihnen verziehen. So sollten wir das auch tun."

Jochen Boos kann aufatmen: Der Gottesdienst kam gut an. Er hat den Jugendlichen Mut gegeben - und auch der Vikar hat Hoffnung geschöpft: Die Kirche hat die Jugend noch nicht verloren - auch wenn längst nicht jeder so wie die 17-jährige Helena die Priester zu Unrecht am Pranger sieht. Missbrauch gebe es auch anderswo, meint sie: "Da wird doch Stimmung gemacht gegen die Kirche. Die Katholiken sind mal wieder die Bösen."

dpa