Die Spur der Gewalt: "The Killer Inside Me"

Die Spur der Gewalt: "The Killer Inside Me"
Dass diese Jubiläums-Berlinale nicht den allerstärksten Wettbewerb hatte, wurde spätestens ab der zweiten Hälfte deutlich. Sicherlich gab es diskussionswerte Filme, aber es fehlten die großen Entdeckungen, die Meisterwerke. Und der Prominentenfaktor war in diesem Jubiläumsjahr auch eher bescheiden. Beim Starvehikel "Nine" etwa, der in der Reihe "Special" lief und mit Nicole Kidman, Judi Dench, Kate Hudson und Daniel Day-Lewis aufwarten konnte, blieben die Schauspieler einfach aus.
20.02.2010
Von Rudolf Worschech

Auch der Brite Michael Winterbottom kam ohne seine Darsteller. Winterbottom ist so etwas wie das Chamäleon unter den modernen Regisseuren, ein Künstler ohne erkennbare Handschrift, zuhause in allen Genres und Formaten. Er hat Literaturverfilmungen inszeniert ("Jude"), einen Neo-Western ("The Claim"), einen Science-Fiction-Film ("Code 46"), aber auch das Dokudrama "In This World", für das er 2002 bei der Berlinale den Goldenen Bären bekam.

In "The Killer Inside Me", seinem ersten in den USA realisierten Film, der am letzten Festivaltag lief, versucht er sich an so etwas wie einem Neo-Film-Noir. "The Killer Inside Me" entstand nach einem Roman des kultigen "hard boiled"-Krimiautors Jim Thompson und ist wie der Roman aus der Ich-Perspektive erzählt.

[linkbox:nid=12543;title=Bildergalerie vom roten Teppich der Berlinale]

Auf den ersten Blick wirkt die Hauptfigur, der Kleinstadt-Deputy-Sheriff Lou Ford (Casey Affleck), wie der Liebling aller Schwiegermütter, aber als ihn sein Chef zu einer Prostituierten (Jessica Alba) schickt, wird schnell klar, welche Abgründe in ihm stecken: er verprügelt sie brutal. Und als er eine Intrige gegen den lokalen Baugroßunternehmer plant, schlägt er sie zu Tode. Dieser Mann, so nett und unscheinbar er wirkt, zieht eine Blutspur hinter sich her, die dann auch die Staatsanwaltschaft aufmerksam werden lässt.

Berlinale hätte drauf verzichten können

Der Film krankt an einer ziemlich simplen Psychologie (schon Lous Vater hatte die Mutter geschlagen) und an einem Übermaß an Gewalt. Dass er die Ausbrüche von Lou (der auch noch seine Verlobte zu Tode prügelt) betont "hässlich" habe zeigen wollen, betonte Winterbottom - den Vorwurf, dass der Film sich trotzdem daran weidet, wird er damit aber nicht los. Auf diesen unbedarften Psycho-Schocker hätte der Wettbewerb ruhig verzichten können, zumal "The Killer Inside Me" im Januar schon auf dem Independent-Festival "Sundance" in den USA lief.

Viel leiser kam dagegen der dänische Wettbewerbsbeitrag "Eine Familie" von Pernille Fischer Christensen daher. Auch er handelt vom Tod, der hier in eine Familie in Kopenhagen einbricht. Der Vater, der eine berühmte Bäckerei in Kopenhagen betreibt, erkrankt unheilbar an Hirntumoren. Die Familie wird einer Zerreißprobe ausgesetzt, der Vater verwandelt sich vom verständigen Familienoberhaupt zum Patriarchen. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis des Vaters zu seiner ältesten Tochter. Gerade im letzten Drittel steht das Sterben stark im Mittelpunkt, und der Film vernachlässigt die Beziehungen der andern Familienmitglieder untereinander.

Großartig mürrische Reise in die Vergangenheit

Versöhnlich dagegen stimmte der allerletzte im Wettbewerb gezeigte Film, "Mammuth" von Benoit Delépine und Gustave de Kervern. Es war der schrägste und wildeste Film des gesamten Wettbewerbs - und eine One-Man-Show für den französischen Schauspieler Gérard Depardieu, der die Berlinale mit seiner Anwesenheit beehrte.

Schon die ersten Szenen nehmen für diesen Film ein. Serge Pilardosse, ein Schlachter, wird in den Ruhestand verabschiedet. Und als ihn dann seine Frau (großartig mürrisch: Yolande Moreau) zum Supermarkt schickt, bleibt er mit seinem Einkaufswagen zwischen zwei Wagen stecken. Aber er wird ihn freibekommen, dieser Riese von Mann mit seinen langen Haaren, schließlich nennen sie ihn nicht umsonst Mammuth.

Diesen Spitznamen hat er von einem legendären Motorrad, das er sein eigen nennt, eine Münch Mammut aus den 70er Jahren. Und weil ihm Unterlagen fehlen, die seine Rente verbessern könnten, macht er sich mit der Mammut auf eine Reise in seine Vergangenheit. Diese Odyssee wird zu einer "tour de force" in Sachen grotesker und lakonischer Komik. Der Film verrät seine Hauptfigur nie, sondern zeichnet sie rührend sympathisch - ein wunderbarer Schwebezustand, den man selten so gesehen hat.

epd

Über die Berlinale bloggen auch unsere Filmblogger Florian Gottschick und Carsten Happe.