Hartzige Zeiten für Guido: Drei Fragen an Ernst Elitz (9)

Hartzige Zeiten für Guido: Drei Fragen an Ernst Elitz (9)
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, verschleiernde Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - etwa das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den deutschen Winter.

evangelisch.de: Herr Elitz, das Bundesverfassungsgericht hat die Berechung der Hartz IV-Sätze für verfassungswidrig erklärt. Sind die Karlsruher Richter inzwischen das bessere Parlament?

Ernst Elitz: Sie waren auf jeden Fall ein "schlechteres" Parlament, als sie die gut funktionierenden Jobcenter aus formalen Gründen aushebelten - zum Nachteil der Hartz-IV-Empfänger, die nun auf eine Grundgesetzänderung warten müssen. Ob die Richter mit ihrer jüngsten Entscheidung ein "besseres" Parlament abgeben, wage ich zu bezweifeln. Sie haben ja nicht für höhere Hartz-IV-Sätze votiert, sondern sie wollen wie ein Mathelehrer nur erfahren, mit welchen Rechenschritten der Gesetzgeber zu seinem Ergebnis kommt. Bei Hartz-IV plädiere ich wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky dafür, einen Teil der Leistungen für die Kinder direkt ins Bildungssystem zu lenken. Kinderbetreuung für arbeitsuchende Mütter, gesunde Schulspeisungen, freie Lehrmaterialien, Schulsportvereine, Ganztagsschulen, gemeinsame Museumsbesuche - all das gleicht die finanziellen und pädagogischen Defizite in den Elternhäusern besser aus, als das Geld in die Familien selbst zu pumpen.

evangelisch.de: Die FDP ist in den Umfragen auf Hartz IV-Niveau abgesunken. Wie ist Guido Westerwelle zu retten?

Ernst Elitz: Der arme Guido! Die Zeit gemeinsamer Cabrio-Fahrten mit der Kanzlerin ist vorbei. Regieren ist wie ein Belastungs-EKG - täglich 24 Stunden. Westerwelles einzige Rettung sind die Stammwähler der FDP. Seine Klientel besteht - anders als bei den sogenannten Volksparteien - zu 100 Prozent aus steuerzahlenden Bürgern. Die können rechnen. Und sie wissen, dass man Steuern nur senken kann, wenn man anderswo spart. Als engster Bündnispartner des Finanzministers muss Westerwelle darum Vorschläge für Einsparungen und Schuldenabbau machen. Das wäre ein klares politisches Profil. Und nur ein klares Profil, das den Steuerzahlern einleuchtet, kann ihn retten.

evangelisch.de: Sie sind vor dem schlechten Wetter auf die kanarischen Inseln geflüchtet, derweil geht das Schneechaos in Deutschland weiter. Auf den Straßen reißen immer neue Schlaglöcher auf und das Streusalz ist knapp geworden. Kommt die Finanznot der Kommunen jetzt beim Bürger an?

Ernst Elitz: Auch auf den Kanaren wird gespart. Auf den Polizeirevieren sind die Kopiergeräte ab 15 Uhr abgeschaltet - um Energie zu sparen. Dass im Zuge der Erderwärmung in Deutschland wochenlang sibirischer Winter herrscht, das konnte bei der Streusalzbestellung nun wirklich keiner erahnen. Wahrscheinlich schmelzen die Polkappen gar nicht, sie wurden nur nach Deutschland verlagert. Aber im Ernst: Dass auch vor der CDU-Zentrale in Berlin weder geräumt noch gestreut wurde, hat mich schon nachdenklich gestimmt. Wer wählt eine Partei, vor der man auf den Hintern fällt?
 


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.