In diesem Winter bleibt Julia bei ihrem Romeo

In diesem Winter bleibt Julia bei ihrem Romeo
Allgäu statt Afrika: Storchenfrau Julia bleibt in diesem Winter zum ersten Mal bei ihrem Partner Romeo im baden-württembergischen Isny. Sie halten sich auf dem Kamin des Rathauses warm. Mittels einer Internetkamera kann alle Welt sehen, wie es dem nachwuchsfreudigen Paar geht.

Romeo hat es geschafft. Der 20 Jahre alte Storch aus Isny hat seine langjährige Partnerin davon überzeugt, dass es auch im Winter im Allgäu am schönsten ist. "Sobald es kalt wurde, ist Julia in den ersten Jahren immer in den Süden gezogen. Sie kam dann jedes Jahr etwas früher zurück. Jetzt bleibt sie den ganzen Winter an Romeos Seite", sagt Jürgen Tischer vom Storchennestteam Isny, das sich um die Tiere kümmert. Immer mehr Weißstörche überwintern in Deutschland, vor allem in den südlichen Bundesländern, und ziehen nicht in wärmere Gefilde.

Seit dem Jahr 2000 lebt die Stadt Isny in Baden-Württemberg mit dem Storchenpaar. Die Vögel haben sich den 34 Meter hohen Kamin auf dem Rathaus als gemeinsames Zuhause ausgesucht. Bereits fünf Mal haben Romeo und Julia in ihrem Horst Nachwuchs aufgezogen. Während der Aufzuchtzeit in den Monaten Mai und Juni haben Tischer und sein Team stets zugefüttert. "In dieser Zeit sind bei uns die Streuwiesen nicht gemäht. Dadurch finden die Störche kaum Futter."

Natürlicher Trieb soll erhalten bleiben

Nach dem ersten Schnitt sind die Vögel bei der Futtersuche wieder auf sich gestellt. Regenwürmer, Insekten und Feldmäuse finden sich den Sommer über zuhauf in den Wiesen. "Auch im Herbst wird bewusst nicht zugefüttert, um die Störche zum Ziehen zu bewegen", sagt Tischer. Schließlich handele es sich um Wildtiere, deren natürlicher Trieb erhalten bleiben soll. Die zwölf in Isny aufgewachsenen Jungstörche seien bisher ausnahmslos im Spätsommer in den Süden gezogen. Bei Romeo, einem ausgewilderten Aufzuchtstorch, habe der Zugtrieb schon vor einigen Jahren nachgelassen. Jetzt wurde Julia, ein Wildstorch aus der Schweiz, von seinem Verhalten beeinflusst.

Störche sind gegen Kälte resistent, sagt Tischer. Sobald dem Isnyer Storchenpaar Wind und Schnee auf dem Rathaus zu ungemütlich werden, suche es sich einen geschützten Platz. "Bei Temperaturen um minus 15 Grad sieht man die Vögel an Bachläufen sitzen. Das Wasser ist dann wärmer als die Luft." Problematisch werde es erst, wenn die Tiere längere Zeit keine Nahrung finden. Tischer und seine Kollegen füttern daher wieder zu, sobald eine geschlossene Schneedecke liegt und der Boden dauerhaft gefroren ist. Ausgewählte Fischreste und Eintagsküken werden morgens auf einer Wiese am Stadtrand ausgelegt.

Milderer Winter spielt eine Rolle

Immer mehr Störche überwintern in Süddeutschland. Nach Auskunft von Oda Wieding, Weißstorch-Expertin beim bayerischen Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein, haben in diesem Winter allein in Schwaben mehr als 30 Weißstörche auf den Flug in den Süden verzichtet. Das Verhalten der Tiere werde von verschiedenen Einflüssen gelenkt. So würden häufig ehemalige Zuchtstörche ihre Partner dazu animieren hierzubleiben. Sie vertrauen auf von Menschenhand angelegte Futterstellen, sagt Wieding. "Wir vermuten außerdem, dass die milderen Winter eine Rolle spielen."

In Mecklenburg-Vorpommern sind überwinternde Störche dagegen die große Ausnahme, wie Hans-Heinrich Zöllick vom Naturschutzband NABU berichtet. Nach seinen Worten sind es vor allem Tiere aus Aufzuchtstationen, die auf den Flug in den Süden verzichten. Daher gebe es in Regionen mit Aufzuchtstationen, vor allem in Süddeutschland, mehr Winterstörche.

Kälte nur für Jungtiere gefährlich

Weißstörche ziehen normalerweise wegen der Nahrungsknappheit zum Überwintern bis nach Afrika. Solange sie hier genug Futter finden, sei dies aber nicht nötig, sagt Wieding. Gefahr durch die Kälte bestehe für sie selbst bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt nicht. "Störche können Wärme viel besser speichern als kleinere Vogelarten." Wenn Storchenpaare früh brüten, könnten Schnee und Kälte allerdings für den Nachwuchs gefährlich werden. "Die Jungtiere brauchen es warm und trocken im Nest. Wenn sie im Sumpf sitzen, kühlen sie aus und erfrieren", sagt Tischer. Damit im Horst auf dem Isnyer Rathaus das Wasser ablaufen kann, wird er jeden Herbst von den Storchenfreunden gereinigt. "Wir holen Schlamm und Plastikreste raus, die die Störche dort mit verbauen."

Romeo und Julia, deren Namen bei einem Wettbewerb ermittelt wurden, haben inzwischen über das Allgäu hinaus Berühmtheit erlangt. Inzwischen gibt es eine bundesweite Fangemeinde der Isnyer Störche. Auf seiner Internetseite registriere das Storchennestteam an manchen Tagen bis zu 2.000 Besucher. Vor allem während der Aufzucht der Jungtiere sei das Interesse an den Aufnahmen von der am Rathaus installierten Internetkamera groß. "Es gibt sogar Leute, die wegen der Störche hier Urlaub machen."

dpa