Haiti: Das lange Warten der Helfer in Santo Domingo

Haiti: Das lange Warten der Helfer in Santo Domingo
Die Reise nach Haiti war für viele Helfer eine erste große Herausforderung. Flugzeuge, die bereits den Luftraum über Port-au-Prince erreicht hatten, wurden nach Santo Domingo zurückgeschickt, weil der Flughafen in Haiti voll besetzt war. Die in Haiti selbst in Mitleidenschaft gezogene UNO beginnt sich wieder zu organisieren und die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. USA, Frankreich und einige andere Staaten wollen so schnell wie möglich eine internationale Wiederaufbau-Konferenz für Haiti organisieren.
15.01.2010
Von Franz Smets

Die Reise nach Haiti war für viele Helfer eine erste große Herausforderung, bevor sie des Horrorszenarios in der vom Erdbeben zerstörten Hauptstadt ansichtig wurden. Eine aus etwa 40 Mann bestehende britische Rettungsstaffel kreiste mit ihrem Flugzeug lange Zeit über dem Flughafen von Port-au-Prince, ehe das Benzin auszugehen drohte und die zweimotorige Maschine den Rückflug zum Regionalflughafen Isabel in Santo Domingo antreten musste. Dann hieß es warten - auch für die vier Suchhunde, die bereits durch den langen Flug aus Europa in die Karibik gestresst schienen.

Besitzer privater Helikopter machen Geschäft ihres Leben

Geduld mussten auch die Hilfstrupps aus anderen Ländern an den Tag legen, die für den kleinen Sprung nach Port-au-Prince fast so lange Zeit benötigten, wie für den Flug über den Atlantik. Andere - darunter viele Medienvertreter aus aller Welt - kamen erst gar nicht nach Haiti; sie hatten geglaubt, fliegen sei schneller als die Reise per Bus, Taxi oder Mietwagen. Sie blieben auch die Nacht zum Freitag in der Hauptstadt der benachbarten Dominikanischen Republik, um am frühen Morgen mit dem Ziel nach Haiti aufzubrechen.

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Drei Flugzeuge, die bereits den Luftraum über Port-au-Prince erreicht hatten, wurden nach Santo Domingo zurückgeschickt. Der Grund: Der Flughafen war mit Flugzeugen voll besetzt, zusätzliche Landungen wurden untersagt. Die USA haben dem Vernehmen nach eine größere Anzahl von Großraummaschinen und Transporthubschraubern auf dem Flugfeld stationiert, um sie für den Einsatz zu präparieren. Die Hundestaffel aus England, aber auch eine Rettungsgruppe aus Spanien verloren einen Tag, um mit der wichtigen Arbeit der ersten Tage nach einer Katastrophe zu beginnen: der Suche nach Überlebenden.

Nur Besitzer privater Helikopter machten das Geschäft ihres Lebens. Ihre Maschinen waren nicht auf den Flughafen angewiesen. Sie konnten auch an anderen Stellen der haitianischen Hauptstadt landen. Am Dienstag kostete die Miete eines Helikopters für die zwei Flugstunden nach Haiti noch rund 1.400 Dollar. Am Donnerstag wurden etwa 8.000 Dollar verlangt. Allerdings waren bis zum Freitagabend alle Helikopter ausgebucht.

Deutsche Welthungerhilfe konzentriert sich auf den Süden

Die Katastrophe in Haiti ist aber nicht auf Port-au-Prince beschränkt. Das Erdbeben hat auch im Süden des Karibikstaates große Zerstörungen angerichtet. Die Deutsche Welthungerhilfe will sich deshalb auch auf den Süden Haitis konzentrieren. Dort sei eine Reihe von Städten und Ortschaften schwer beschädigt worden, sagte am Donnerstagabend (Ortszeit) der Repräsentant der Organisation in Haiti, Michael Kühn, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Bei der bisher schwersten Erdbebenkatastrophe in der Region dürften mindestens 50.000 Menschen getötet worden sein.

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"Wir haben es endlich geschafft, die Kommunikation mit unseren Partnern im Süden wiederherzustellen", sagte Kühn. Schwer beschädigt seien etwa Jacmal, Petit Goave und Leogane. "Dort gibt es einen großen Bedarf an Hilfe, die internationale Staatengemeinschaft aber ist dort noch nicht besonders engagiert." Nach Beobachtung von Kühn haben die internationalen Hilfswerke nun damit begonnen, "im großen Stil in Haiti an die Arbeit zu gehen".

"Für das, was hier geschehen ist, gibt es keine Worte"

Die Lage sei weiterhin vor allem deshalb schwierig, weil durch die Katastrophe auch die Vereinten Nationen in dem Land und die haitianische Regierung selbst in Mitleidenschaft gezogen worden seien. "Aber die UNO beginnt, sich wieder zu organisieren und die Arbeit zu verteilen, medizinische Hilfe zu organisieren und die Wasserversorgung in die Hände zu nehmen", sagte Kühn, der seit vielen Jahren in Haiti lebt und arbeitet.

Es fehle aber weiterhin an Medikamenten. Tausende Menschen seien traumatisiert und hätten Angst vor den ständig wiederkehrenden Nachbeben. "Sie trauen sich nicht, sich für längere Zeit in einem Gebäude aufzuhalten, und blieben auf der Straße", berichtete Kühn weiter. Viele hätten Angehörige verloren und wüssten in vielen Fällen zudem nichts über den Verbleib weiterer Familienmitglieder. "Für das, was hier geschehen ist, gibt es keine Worte."

Internationale Wiederaufbau-Konferenz für Haiti

Die USA, Frankreich und einige andere Staaten wollen so schnell wie möglich eine internationale Wiederaufbau-Konferenz für Haiti organisieren. Wie der französische Präsidentenpalast in der Nacht zum Freitag mitteilte, einigten sich Staatschef Nicolas Sarkozy und US-Präsident Barack Obama auf eine entsprechende Initiative. Auch Brasilien, Kanada und andere direkt betroffene Länder seien bereits an den Vorbereitungen beteiligt. Sarkozy und Obama stimmten sich nach Angaben des Élysée bei einem Telefonat am Donnerstagabend auch über andere Hilfsmaßnahmen für das Erdbebengebiet ab. Beide Präsidenten hätten beschlossen, die Unterstützung vor Ort zu verstärken, hieß es. Alle Hilfen sollten zudem eng aufeinander abgestimmt werden. 

dpa