Tief Daisy sorgt für Sturmflut und Schneewetter

Tief Daisy sorgt für Sturmflut und Schneewetter
Heftige Schneestürme haben am Sonntag in Norddeutschland das befürchtete Winterchaos ausgelöst. Das Tief "Daisy" schnitt Dutzende Dörfer an der Küste und auf den Ostseeinseln von der Außenwelt ab. Der hart getroffene Landkreis Ostvorpommern rief Katastrophenalarm aus. Bis zum Morgen saßen in Mecklenburg-Vorpommern auf der Autobahn A 20 zwischen Anklam und Süderholz hunderte Menschen in ihren Fahrzeugen fest. Bei Dahme in Schleswig-Holstein drohte wegen Sturmflut an der Ostsee ein Deich zu brechen. Zahlreiche Helfer kämpften dort gegen die Fluten.
10.01.2010
Klaus Peters

Auf der gesamten Ostseeinsel Fehmarn mussten die Menschen am Sonntag etwa eine Stunde lang ohne Strom auskommen. Außerdem begann es in der am heftigsten vom Schneesturm "Daisy" betroffenen Region Schleswig-Holsteins gegen Mittag erneut zu schneien. "Das Schlimmste, was uns passieren konnte", sagte Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt (parteilos). Extremes Hochwasser der Ostsee und der Sturm hätten zudem einen Deich auf 25 Meter Länge in Mitleidenschaft gezogen. "Alle Dörfer sind nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten", berichtete Schmiedt. "Im Moment ist alles erstarrt." Drei hochschwangere Frauen auf der Insel konnte er beruhigen: "Wir haben ein Raupenfahrzeug für Notfälle."

Dramatisch war die Lage auch auf Rügen und Usedom. Dort legten hohe Schneeverwehungen den Verkehr weitgehend lahm. Auf Fehmarn war nur noch die Autobahn befahrbar, die den Fährhafen nach Dänemark mit dem Festland verbindet. "Alle Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten", konstatierte Fehmarns Bürgermeister Schmiedt. Auf Rügen behinderten bis zu drei Meter hohe Schneewehen ebenfalls den Verkehr, die Busse fuhren nicht mehr. Viele Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten. An der Küste und im Binnenland waren Dutzende Dörfer eingeschneit, Kreis- und Landesstraßen unpassierbar.

Die Polizei warnte, das Autofahren sei möglichst zu vermeiden, und bezeichnete die Lage in Schleswig-Holstein insbesondere um den Deich bei Dahmeshöved, der zu brechen droht, als "unverändert angespannt".

Zahlreiche Dörfer abgeschnitten

Abgeschnitten waren auch unzählige Dörfer in Ostholstein, aber Schnee und Sturm sorgten auch im übrigen Schleswig-Holstein für massive Verkehrsprobleme. Die Räumdienste hielten nur mit Mühe und Not die Autobahnen und andere Hauptverkehrsstraßen frei. Doch selbst die Autobahn A20 zwischen Bad Segeberg und Lübeck wurde von Samstagabend bis Sonntagvormittag auf 20 Kilometer Länge voll gesperrt. Bei Lübeck schnitten meterhohe Schneewehen den Ort Priwall von der Außenwelt ab. Auch die Priwallfähre stellte ihren Betrieb wegen Hochwassers und Sturm ein. In der Lübecker Altstadt trat die Trave über die Ufer.

Wegen orkanartiger Böen hatte die Reederei Scandlines schon am Samstag ihre Fähren von und nach Schweden und Dänemark ab Rostock und Sassnitz gestoppt. Reisende mussten lange Wartezeiten hinnehmen. «Wir können weder die Passagiere noch die Schiffe gefährden», sagte ein Sprecher zur Begründung.

Wieder Flüge in Frankfurt gestrichen

Schneewehen und umgestürzte Bäume blockierten Straßen auch in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Auf Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt fielen wegen starken Schneefalls bis Sonntagmittag mehr als 80 Flüge aus. Bereits am Samstag waren mehr als 200 Flüge gestrichen worden. Rund 100 Passagiere campierten im Flughafen auf Feldbetten, weitere Fluggäste wurden in Hotels untergebracht.

Bundesweit verursachte der fortgesetzte Schneefall im Bahnverkehr für Streckensperrungen und Verspätungen. Schneeverwehungen hätten viele Weichen gestört und einzelne Strecken unpassierbar gemacht, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Bahn-Vorstand Ulrich Homburg entschuldigte sich in der "Bild am Sonntag" bei den Fahrgästen. "Wir sind und bleiben ein Verkehrsmittel für jedes Wetter. Aber gerade Eisregen ist ein seltenes Ereignis, für das es keine Abhilfe gibt", sagte er.

Die Schneefälle dauerten in weiten Teilen Deutschlands den Sonntag über an. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach soll Tief Daisy allerdings am Montag in Richtung Mittelmeer abziehen. Dann folge jedoch eine neue Kältewelle und lasse die geschlossene Schneedecke festfrieren.

Ausharren in Eiseskälte auf der Autobahn

Bei eisigen Temperaturen harrten in der Nacht zu Sonntag fast 300 Menschen in Autos und Lastwagen zwischen Gützkow und Jarmen in Mecklenburg-Vorpommern auf der blockierten Autobahn A 20 aus. Auch Busfahrgäste saßen auf der Fernstraße fest. Räumfahrzeuge mussten zunächst die Fahrbahnen vom Schnee befreien, der manchen Autos bis an die Fenster reichte. Erst am Vormittag befreiten Rettungskräfte die Eingeschlossenen und brachten sie in Notunterkünfte.

Insgesamt 44 Reisende wurden seit Samstagabend zwischen Stralsund und Anklam aus zwei Zügen gerettet, die in Schneewehen feststeckten. Stundenlang hatten die frierenden Reisenden zuvor in den Waggons ausharren müssen. Beide Züge blieben stehen und sollten später geborgen werden. Landesweit wurden wegen des Unwetters Bahnstrecken gesperrt. Auch in Brandenburg wurden Bahnlinien gesperrt.

In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich am Wochenende mehr als 1000 Verkehrsunfälle, dabei starben zwei Menschen. Bereits in der Nacht zu Samstag hatten rund 400 Lastwagenfahrer an der deutsch- französischen Grenze im baden-württembergischen Neuenburg ausharren müssen. Erst im Laufe des Tages normalisierte sich die Lage wieder, nachdem die französischen Behörden die auf der Autobahn 5 gestauten Lastwagen wieder über die Grenze ließen.

Wetterprobleme und Kältetote weltweit

Schwierigkeiten mit dem extremen Wetter gab es auf der ganzen Welt: Eiseskälte und starke Schneefälle haben in vielen Regionen der nördlichen Erdhalbkugel massive Probleme verursacht. Verkehrschaos, Stromausfälle und Unfälle plagten zahlreiche Europäer, Amerikaner, Chinesen und Inder. Seit dem Beginn des ungewöhnlich heftigen Wintereinbruchs stieg die Zahl der Kälte-Toten europaweit auf mehr als 100. Allein in Großbritannien, das unter dem härtesten Winter seit mehr als drei Jahrzehnten stöhnt, kletterte die Opferbilanz auf mindestens 26 Tote.

Der Vulkan Vesuv in Italien ist fast komplett von oben bis unten mit Schnee bedeckt, aber nicht nur in Europa schlägt das Wetter ungewohnte Kapriolen. In Indien beispielsweise fielen nach Medienberichten insgesamt 239 Menschen im Norden und Osten des Landes eisigen Temperaturen zum Opfer. Allein im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh wurden in der Nacht zu Sonntag 15 Kälte-Tote gezählt, berichtete der Sender. Die meisten Opfern seien Alte oder Bedürftige. Schlechtes Wetter behinderte auch dort den Bahn- und Luftverkehr.

In Mexiko starben neun Menschen an der Kälte,  und sogar im Urlaubsstaat der USA schlechthin, in Florida, schneit es. Australien meldet starke Überflutungen, mindestens sieben Menschen werden dort noch vermisst. Die Bahnstrecke und die Straße zwischen Darwin und Adelaide waren nach Medienberichten unpassierbar: In Alice Springs war binnen einer Woche soviel Regen gefallen wie sonst in einem Jahr.

dpa