Als Herr Plasberg einen seiner Studiogäste rauswählte

Als Herr Plasberg einen seiner Studiogäste rauswählte
In der ARD-Sendung "Hart aber fair" wollte Frank Plasberg einen Studiogast rauswählen lassen - das Thema war Mobbing. Bischöfin Margot Käßmann fühlte sich in der Männerrunde pudelwohl. Das Krawallpotenzial steuerten andere bei, darunter Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm und ein Arbeitgeber-Anwalt.
09.12.2009
Von Bernd Buchner

"Hart aber fair" beginnt mit einem Paukenschlag: Einer der fünf Studiogäste, so Moderator Frank Plasberg, werde in einer halben Stunde per Zuschauerentscheid "rausgewählt". Kein schlechter Einstieg für die ARD-Sendung, die sich am Mittwochabend dem schwierigen Thema Mobbing am Arbeitsplatz widmet. Landesbischöfin Margot Käßmann muss nicht um den vorzeitigen Abschied fürchten, sie macht in der Männerrunde einen guten, herzerfrischenden Eindruck. Kein Wunder, dass sie am Ende von ihren Mitdiskutanten einhellig zur Mobbingbeauftragten ernannt wird.

Mobbing ist ein weit verbreitetes und gern unterschätztes Problem. Drei Viertel der Menschen bejahen die Frage, ob sie an ihrem Arbeitsplatz schon einmal damit zu tun hatten – zumindest laut "Hart aber fair"-Internetumfrage vor der Sendung. In der 75-Minuten-Debatte mobben sich zunächst der stramme Arbeitgeberanwalt Helmut Naujoks, Autor des Buches "Kündigung von Unkündbaren", und Ex-Sozialminister Norbert Blüm von der CDU ("Die Rente ist sicher"). Blüm verweist auf die Hungerlöhne bei Dortmunder Friseuren, die nichts mit der Globalisierung zu tun hätten, und verlangt von dem alerten Juristen: "Bekennen Sie sich zu Ihrem Rabaukentum!"

Mut zur Familiengründung geht verloren

Käßmann, seit einigen Wochen Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hält sich am Anfang zurück, verweist dann auf die Situation junger Leute, die besonders häufig von Rationalisierung und Entlassung betroffen sind. Wer soll da noch den Mut haben eine Familie zu gründen? Solche Fragen rühren den früheren EnBW-Chef Utz Claassen eher weniger an. Über einige wohlfeile Sprechblasen kommt er nicht hinaus, ebenso wenig wie Schauspieler Christoph Maria Herbst. Der "Stromberg"-Hauptdarsteller wartet nach einigen Kostprobem aus der prolligen Pro7-Mobbingserie immerhin mit dem bemerkenswerten Bekenntnis auf: "Ich distanziere mich von den gezeigten Szenen in aller Schärfe."

"Ausgepresst und weggemobbt – willkommen in der neuen Arbeitswelt" lautete der provokante Titel der Sendung, zu deren Halbzeit Moderator Plasberg niemanden seiner Gäste in die Garderobe verwies, dafür aber bekannte: "Ich überlege grade, wie ich weitermachen soll." Es ging weiter, und Bischöfin Käßmann war es vor allem, die nachdenkliche und nachdenkenswerte Töne anschlug. Sie erinnerte an Luthers Wort vom Beruf als Berufung, ließ sich auch durch Plasbergs Klischee von den Protestanten als Erfindern des Leistungsprinzip nicht aus der Ruhe bringen und zeigte sich dankbar dafür, wie die "Arbeitgeberin Kirche" vor zwei Jahren mit ihrer Krebserkrankung umgegangen ist.

Deutlich mehr psychische Erkrankungen

Dass in einem Klima der Solidarität mehr Leistung zu erzielen sei, klang da aus dem Mund von Norbert Blüm fast wie ein Allgemeinplatz. Die Realität ist indes eine andere: Das Problem Mobbing, sei es seitens des Arbeitgebers oder aber unter den Beschäftigten, hat stark zugenommen, allein die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen stieg allein im vergangenen Jahr um acht Prozent. Wie man Mobbing erkennt und sich dagegen schützen kann, dazu gab einer der zahlreichen "Hart aber fair"-Einspielfilme brauchbare Tipps, die vom üblichen "Wir haben da mal eine Frage" weit entfernt waren.

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Überfordert schien Plasberg dagegen im Gespräch mit dem ehemaligen Fußball-Nationalspieler Tobias Rau, der seine Karriere vor einigen Monaten an den Nagel hängte. Auch der Bogen zu Nationalkeeper Robert Enke, der sich das Leben nahm, wirkte allzu bemüht. Insgesamt aber bot die Sendung nachdenkliche Unterhaltung zu einem spannenden Thema. Der Rauswahl-Einstieg spielte bei den Publikumsreaktionen keine Rolle, was den Moderator zur Erkenntnis brachte: "Unsere Zuschauer machen nicht jede Idee mit." Auch Plasbergs Ausstieg warf Fragen auf: "Mobben Sie nicht den Weihnachtsmann, egal was er Ihnen bringt." Wenn Margot Käßmann danach noch einmal zu Wort gekommen wäre, hätte sie ihm erklären können, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt.

Wer war ehrlich, wer hat geschwindelt? Hier geht's zum "Hart aber fair"-Faktencheck.

Informationen des Verbandes kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema Mobbing gibt es hier.


Bernd Buchner arbeitet als Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Religion und Umwelt.