Obama schickt offenbar 34.000 Soldaten mehr nach Afghanistan

Obama schickt offenbar 34.000 Soldaten mehr nach Afghanistan
Obama will am Dienstagabend seine mit Spannung erwartete neue Militärstrategie in Afghanistan in einer Rede an die Nation darlegen. Um den Kampf gegen die radikalislamischen Taliban zu gewinnen, will er etwa 34.000 zusätzliche Soldaten entsenden. Erwartet wird auch ein ungefährer Zeitplan für einen Abzug der Truppen. In seiner Rede vor Kadetten der Militärakademie West Point wird Obama voraussichtlich auch ein stärkeres Engagement der Verbündeten fordern.

Mehr Truppen und einen Zeitplan für den Abzug: Das ist der Kern der neuen Afghanistan-Strategie von US-Präsident Barack Obama. Er werde am die Entsendung von 34.000 zusätzlichen Soldaten verkünden und zudem die NATO und anderen Allierte um die Entsendung von weiteren 5.000 Mann an den Hindukusch bitten, berichtete die "Washington Post" am Montagabend (Ortszeit) unter Berufung auf Regierungbeamte und Diplomaten. Der Präsident will am Dienstagabend (Ortszeit) zur besten Sendezeit in der traditionsreichen Militärakademie von West Point seine neue Militärstrategie in einer Rede an die Nation darlegen.

Bereits im Januar solle schrittweise damit begonnen werden, zusätzlichen Truppen nach Afghanistan zu schicken, berichtete die Zeitung weiter. Allerdings denke Washington auch daran, abhängig von den Leistungen der afghanischen Regierung die Entsendung der Truppen zu unterbrechen oder die Gesamtzahl zu verringern. Abgesehen von Marineinfanteristen, die im nächsten Monat abreisen sollen, sei noch nicht festgelegt, welche Einheiten folgen sollen, schreibt die "Post" unter Berufung auf Beamte des Verteidigungsministeriums. Nach monatelangen Beratungen hat Obama Verteidigungsminister Robert Gates und hohe Militärs bereits angewiesen, die neue Strategie umzusetzen, wie der Nachrichtensender CNN am Montag berichtete. Zugleich informierte er mehrere europäische Staatschefs.

Maßnahmen, die Regierung in Kabul zu stärken

Obama werde in seiner Rede überdies einen Plan darlegen, der nach Einschätzung der Zeitung einer Abzugs-Strategie sehr nahe kommt. Im Zentrum stünden dabei Maßnahmen, die Regierung in Kabul zu stärken, sodass die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Kontrolle über ihr eigenes Land übernehmen können. Es sei zu erwarten, dass der Präsident auch spezifische Zielmarken nenne, die er politisch wie auch militärisch erreicht sehen wolle. Nach Angaben des Sprechers des Weißen Hauses, Robert Gibbs, ist die Übergabe von Verantwortung in sicherheitsfragen an die Afghanen "ein großer Teil von dem, was man morgen vom Präsidenten hören wird".

Obamas strategischer Neuansatz ist aus zwei Gründen notwendig: Zum einen konnten sich Taliban-Kämpfer neu organisieren. Zum anderen sinkt nach acht Jahren Krieg die Zustimmung der Amerikaner. Ein Grund dafür ist, dass immer mehr Soldaten in Afghanistan sterben. Nach offiziellen Angaben sind bereits über 920 Amerikaner gefallen.

Doppelstrategie

Daher setzt Obama auf eine "Doppelstrategie", die eine Eskalation des Krieges vorsieht, zugleich aber auch einen Ausweg und ein Ende für die US-Truppen aufzeigt. Obama wolle in seiner Rede vor allem auch klarmachen, "wie er den Kampf an die Regierung in Kabul zu übertragen gedenkt", schreibt die "New York Times" unter Berufung auf Regierungsvertreter. Obama knüpfe daher seinen Zeitplan für den Rückzug der Kampftruppen nicht an bestimmte Bedingungen wie etwa an Fortschritte im Kampf gegen die Taliban. Wie der Zeitplan genau aussehen könnte, blieb zunächst ungewiss.

Die Zahl der zusätzlichen US-Truppen und die von Obama erbetenen 5.000 Soldaten der Alliierten entsprechen in etwa den 40.000 Soldaten, die der US-Oberbefehlhaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal, von Washington ursprünglich gefordert hatte. Mit den neuen Truppen würde die Zahl der amerikanischen Soldaten am Hindukusch auf mehr als 100.000 anschwellen.

Zusätzliche britische und französische Soldaten

Der britische Premier Gordon Brown hatte zuvor angekündigt, dass London 500 weitere Soldaten an den Hindukusch schickt. Damit erhöhe sich die Zahl der Briten - inklusive Sondereinheiten - auf mehr als 10.000, sagte Brown vor dem Unterhaus in London. Die Soldaten sollten im Dezember zur Verfügung stehen, acht NATO-Staaten hätten bereits Zusagen über mehr Soldaten gemacht. Welche Staaten dies sind, sagte er aber nicht.

Von Frankreich verlangen die USA nach Informationen der Zeitung "Le Monde" die Entsendung von 1.500 zusätzlichen Soldaten. Derzeit sind 3.400 Franzosen im Afghanistan-Einsatz. Die Frage eines stärkeren Engagements der Alliierten betrifft auch Deutschland. Berlin hat derzeit 4.500 Soldaten am Hindukusch stationiert. Eine Entscheidung über eine Aufstockung liegt bisher nicht vor. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die internationale Afghanistan-Konferenz Ende Januar abwarten. 

 

Drei Aufgaben für die US-Truppen

Obama hat mit seiner Entscheidung lange gezögert. Wochenlang hatte er mit hohen Militärs sowie mit Außenministerin Hillary Clinton und engsten Vertrauten in seinem "Kriegsrat" beraten. Der Oberbefehlshaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal, hatte bereits vor Monaten öffentlich 40.000 Soldaten verlangt. Sonst seien Taliban nicht zu besiegen.

Nach der neuen Strategie haben die US-Truppen dreierlei Aufgaben: El-Kaida-Terroristen ausschalten, die Taliban bekämpfen sowie die afghanische Armee ausbilden, damit sie später den Kampf übernehmen kann. Zugleich will Washington Präsident Hamid Karsai dazu bewegen, Korruption zu bekämpfen und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. George W. Bush hatte die Invasion in Afghanistan Ende 2001 als Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September mit der Begründung angeordnet, das Taliban-Regime gewähre den El-Kaida- Terroristen Unterschlupf.

Allerdings: Bereits vor der offiziellen Verkündung der neuen Strategie Obamas dringen kritische Stimmen aus dem eigenen Lager. Nancy Pelosi, die Sprecherin im Repräsentantenhaus, warnt vor "ernsthafter Unruhe" unter Demokraten im Parlament. Wenn es im Parlament um die Finanzierung der Truppen geht, könnte es Streit geben.

dpa