Der alte und neue Präsident Afghanistans will Frieden

Der alte und neue Präsident Afghanistans will Frieden
Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ist der afghanische Präsident Hamid Karsai in Kabul für eine zweite fünfjährige Amtszeit vereidigt worden. Karsai leistete den Eid vor dem Obersten Richter des Landes, Abdul Salam Asimi. An den Feierlichkeiten im Palast nahmen unter anderem Bundesaußenminister Guido Westerwelle, US-Außenministerin Hillary Clinton, der britische Außenminister David Miliband und sein französischer Amtskollege Bernard Kouchner teil. Aus Islamabad reiste der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari an.

Zur Vereidigung von Hamid Karsai am heutigen Donnerstag, 19. November, waren 500 Menschen eingeladen – 398 afghanische Würdenträger und 102 internationale Gäste. Karsai war vor drei Monaten bei einer von Betrug überschatteten Wahl im Amt bestätigt worden, nachdem sein Herausforderer Abdullah Abdullah aus dem Glauben an neuerlichen Wahlbetrug von der Stichwahl gegen den Amtsinhaber zurücktrat. Die Wahlkommission sagte die Stichwahl daraufhin ab und erklärte Karsai am 2. November auch ohne die von der Verfassung vorgeschriebene absolute Mehrheit zum Sieger.

Karsai regiert Afghanistan seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban Ende 2001. In dem Land am Hindukusch schwelt seitdem der bewaffnete Streit zwischen den Taliban und Aufständischen und den afghanischen und internationalen Truppen im Land. Der langwierige Konflikt wird laut einer Umfrage der Hilfsorganisation Oxfam unter Afghanen hauptsächlich von der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land befeuert.

70 Prozent der insgesamt 704 Befragten hätten Armut und Arbeitslosigkeit als Hauptursache für den andauernden bewaffneten Konflikt in ihrem Land genannt, teilte Oxfam mit. An zweiter Stelle nannten die Befragten die schwache afghanische Regierung sowie Korruption, danach erst kamen die Taliban und die Einmischung von Nachbarstaaten als dritt- und viertwichtigste Ursachen des Konflikts.

Karsai will Große Ratsversammlung

Nach seinem Amtseid hat sich Hamid Karsai für eine Loja Dschirga zur Versöhnung im Land ausgesprochen. Diese Große Ratsversammlung solle dazu dienen, den Frieden in Afghanistan nach 30 Jahren Krieg wieder herzustellen, sagte Karsai in Kabul bei seiner Vereidigung für eine zweite Amtszeit. Die Loja Dschirga ist laut afghanischer Verfassung "die höchste Manifestation des Willens des afghanischen Volkes". Karsai kündigte außerdem einen verstärkten Kampf gegen Korruption an.

Unter dem Beifall der 500 Ehrengäste betonte Karsai, er wolle in seinem künftigen Kabinett kompetente Experten-Minister einsetzen. Weiter sagte der Präsident, mittelfristig müssten die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung von den internationalen Truppen übernehmen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Kampf gegen den Terrorismus gewonnen werde.

Außenminister Guido Westerwelle hat die Antrittsrede begrüßt. "Das war eine Rede mit den richtigen Schwerpunkten, die unsere Erwartungen erfüllt", sagte Westerwelle. "Wir werden Präsident Karsai beim Wort nehmen und setzen darauf, dass den richtigen Worten jetzt auch die richtigen Taten folgen." Demokratische Regierungsführung und die Bekämpfung von Korruption und Drogenkriminalität stehen im Mittelpunkt der deutschen Erwartungen.

Abzug der Truppen in drei bis fünf Jahren?

Die Bundesregierung hatte nach ihrer Kabinettsklausur in Meseberg, die einen Tag vor Karsais Vereidigung endete, ein Strategiepapier zu Afghanistan vorgelegt, wonach das Land in angemessener Zeit selbst für seine Sicherheit sorgen müsse. Den Einsatz der Bundeswehr in Nordafghanistan, wo 4.500 deutsche Soldaten stationiert sind, hatte die Regierung um ein weiteres Jahr verlängert. Auch die Einsätze der Bundeswehr bei den US-geführten Anti-Terror-Operationen "Enduring Freedom" und "Active Endeavour" gehen weiter, für die deutsche Beteiligung an AWACS-Aufklärungsflügen gab es dagegen kein weiteres Mandat.

Aus deutschen Diplomatenkreisen hieß es, der Zeitraum von fünf Jahren bis zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte decke sich mit den Erwartungen der Bundesregierung. Einen ähnlichen Zeitraum sieht auch US-Präsident Barack Obama vor. Er will den Krieg am Hindukusch noch während seiner Zeit im Weißen Haus beenden: "Ich würde es vorziehen, nichts dem nächsten Präsidenten zu hinterlassen", sagte Obama, der den Afghanistan-Konflikt von seinem Vorgänger George W. Bush "geerbt" hat, dem amerikanischen Nachrichtensender CNN.

Obama ist nach eigenen Angaben einer Entscheidung über den künftigen Afghanistan-Kurs der USA "sehr nahe" und will sie "in den nächsten Wochen" bekanntgeben. "Diese Entscheidung wird uns auf einen Weg in Richtung Kriegsende führen", sagte der US-Präsident in einem Interview mit NBC. Gefragt nach dem wiedergewählten afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, hielt sich Obamas Begeisterung ganz offensichtlich in Grenzen: "Ich denke, Präsident Karsai hat seinem Land in wichtiger Weise gedient", kommentierte der Präsident: "Er hat einige Stärken, aber er hat einige Schwächen."

dpa/han