Theaterpredigten schlagen Brücke

Theaterpredigten schlagen Brücke
Treppe hoch, Treppe runter, mal nach links, dann geradeaus: Das Bremer Theater am Goetheplatz ist wie ein großes Labyrinth. Dramaturg Peter Hägele kennt sich aus und zeigt dem evangelischen Pastor Olaf Droste den Weg zu Probebühnen und Werkstätten. Beide verbindet ein Modellprojekt, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kürzlich mit ihrem Kulturpreis "Grenzgänger" ausgezeichnet hat. Dramaturg und Pastor arbeiten gemeinsam an einer Theaterpredigt zur Bremer Inszenierung der Shakespeare-Tragödie "Macbeth".
13.11.2009
Von Dieter Sell

Vor knapp drei Jahren erlebte Bremen eine kirchliche Premiere, die besonders die Kunstszene aufhorchen ließ und den Beifall von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) fand. Damals nahm die "Kulturkirche" St. Stephani in der Hansestadt ihre Arbeit auf. "Kirche und Kultur sind wie Schwestern, die sich manchmal innig lieben, manchmal furchtbar zanken", sagt Projektleiter und Kulturpastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Doch mittlerweile spricht er von der "neuen Lust, die Kirche und Kultur aneinander haben".

Der Pastor kommentiert, der Dramaturg antwortet

Theater, Ausstellungen, Konzerte, Gottesdienste, Vorträge, Lesungen: Jährlich besuchen etwa 18.000 Menschen St. Stephani. Auf dem Programm standen bisher auch 15 Theaterpredigten. Dazu besuchen Pastorinnen und Pastoren Proben, sprechen mit Schauspielern, Regisseuren und Dramaturgen. In der Kirche kommentieren sie theologisch, was sie gesehen haben. Der Dramaturg antwortet. Ein Konzept, das bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Die Theaterpredigten zeigten exemplarisch, wie die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Theater gelingen könne, lobt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann.

[linkbox:nid=6189,5218,5008,2502,2774;title=Mehr Kultur und andere innovative Projekte]

"Macbeth fordert diesen theologischen Kommentar geradezu heraus", sagt der Dramaturg Hägele. Die Tragödie beschreibt den Aufstieg des Heerführers Macbeth zum König von Schottland, seinen Wandel zum Tyrannen und schließlich seinen tiefen Fall. Es geht um Macht, Moral und Mord. "Das Böse der Macht reißt ihn ins Verderben", bilanziert Droste. Macht müsse sorgsam kontrolliert werden, schlägt der Theologe in seiner Predigt eine Brücke in die Gegenwart. "Die Inszenierung fragt nach der Kraft, die die Gesellschaft zusammenhält", antwortet Hägele.

Im Theater "können Kirchenleute lernen"

Droste fasziniert, wie die Theaterleute einen klassischen Stoff in die Gegenwart übersetzen: "Packend - da können Kirchenleute lernen. Zur Zeit der beginnenden Aufklärung hielt man Schauspielerei in der evangelischen Kirche eher für Allotria." Das sei aber heute glücklicherweise nicht mehr so. Es gebe ein großes Bedürfnis, Frömmigkeit anders als nur über die Sprache auszudrücken. Droste denkt dabei unter anderem an christliche Musicals, spirituellen Tanz und Bibliodrama.

Wie er begreifen immer mehr Pfarrer, dass sie ihre Botschaft besser darbieten müssen, wenn sie jemanden erreichen wollen. "Bevor ein Schauspieler eine Stunde lang auf der Bühne steht, muss er gewaltig viel proben", sagt der Schauspieler und Regisseur Thomas Kabel, der Theologen in "liturgischer Präsenz" schult. Und die Pfarrer? "Kommen sonntags fünf vor zehn in die Sakristei, schnappen sich die Bibel und rennen raus."

Mehr Infos: www.bremertheater.com; www.kulturkirche-bremen.de