EKD-Ratsvorsitz: Kandidaten, aber keine Bewerber

EKD-Ratsvorsitz: Kandidaten, aber keine Bewerber
Am Mittwoch (28. Oktober) wählt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Ulm einen neuen Ratsvorsitzenden. Die Entscheidung wird mit großer Spannung erwartet. Offizielle Bewerber gibt es nicht - doch über Kandidaten wird fleißig spekuliert.
16.10.2009
Von Rainer Clos und Bernd Buchner

Für die Wahl des neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Synode Ende Oktober im Ulm gibt es offiziell keine Bewerber. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann reagiert genervt, wenn sie auf ihre Favoritenrolle für die Nachfolge des Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber angesprochen wird. Neben Käßmann werden in Medienberichten den Bischöfen Jochen Bohl (Dresden), Ulrich Fischer (Karlsruhe), Frank Otfried July (Stuttgart) und Martin Hein (Kassel) Chancen eingeräumt. Nach sechsjähriger Amtszeit scheidet Huber mit 67 Jahren als Ratsvorsitzender aus.

Dass sich keine Bischöfin und kein Bischof öffentlich für den Spitzenposten des deutschen Protestantismus bewirbt, hängt nicht zuletzt mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit zusammen: Zum Ratsvorsitzenden wurde oft jemand gewählt, mit dem man nicht gerechnet hatte. Auch bei der Wahlsynode in Ulm, wo am 27. und 28. Oktober über die neue Führungsspitze der EKD entschieden wird, sind deshalb Überraschungen nicht ausgeschlossen. Das betonte auch epd-Chefredakteur Thomas Schiller am Freitag in einem Interview auf Deutschlandradio Kultur.

Hürden sind hoch

Denn die Hürden für die Wahl in den Rat sind hoch, das Votum kann sich lange hinziehen. In Synode und Kirchenkonferenz brauchen Kandidaten ein breites Vertrauen mit einer Zweidrittelmehrheit. Bei der Ratswahl 2003 in Trier machte das zehn Wahlgänge nötig. Trotz der Erfahrungen dieses Wahlmarathons blieben Initiativen, das Verfahren zu vereinfachen, ohne Erfolg.

22 Kandidaten sind für die 14 neu zu besetzenden Plätze im Rat vorgeschlagen. Neun Bewerber stehen als Bischof oder Kirchenpräsident an der Spitze einer evangelischen Landeskirche, zehn sind protestantische Laien, also Nichttheologen. Neben der konfessionellen Balance spielten bei der Auswahl der Kandidaten auch Kriterien wie Vertretung der Landeskirchen und Regionen, Geschlecht und Alter eine Rolle. Traditionell gehören dem Rat auch profilierte evangelische Politiker an.

Käßmann mit großen Chancen

Große Chancen werden der hannoverschen Landesbischöfin Käßmann (51) eingeräumt, die schon bisher dem Rat angehört. Die versierte Theologin steht seit zehn Jahren an der Spitze der mit drei Millionen Mitgliedern größten evangelischen Landeskirche. Davor war sie Generalsekretärin des Kirchentages. Käßmann ist medienerfahren und schon bisher neben Bischof Huber das bekannteste Gesicht der evangelischen Kirche. Sie kennt sich in der Ökumene aus, spricht Kirchenferne an, bezieht in sozialpolitischen Debatten klar Position und wäre die erste Frau an der EKD-Spitze.

Auf dem inoffiziellen Kandidatenkarussell tauchen daneben der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (55), der badische Landesbischof Ulrich Fischer (60), der sächsische Landesbischof Jochen Bohl (59) und der kurhessische Bischof Martin Hein (55) auf. Alle vier kandidieren erstmals für den Rat. Fischer wurde im Mai als Vorsitzender der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) bestätigt, Bohl und July stehen wie Käßmann an der Spitze einer lutherischen Kirche. Hein war Ende September Gastgeber der Zukunftswerkstatt der EKD in Kassel. Seine Landeskirche zählt zu den unierten.

Der in Ulm gastgebende Bischof July stellte sich unterdessen überraschend hinter Käßmann als neue EKD-Ratschefin. Er glaube, dass sie eine "sehr gute Perspektive" für die Kirche wäre, sagte er kurz vor Beginn der Synode in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Nicht für das Amt zur Verfügung steht der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich (61). Er werde "unter keinen Umständen" kandidieren, sagte er am Freitag während der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Dort wurde offenbar neben July und Käßmann auch über den rheinischen Präses Nikolaus Schneider (61) gesprochen, der bereits dem bisherigen EKD-Rat angehörte.

Das richtige Wort zur richtigen Zeit

Ein Anforderungsprofil für einen Ratsvorsitzenden oder eine -vorsitzende gibt es nicht. Eher schon Erfahrungswerte, was für diesen Tätigkeit mitgebracht werden sollte: Neben Kraftreserven für die Doppelbelastung mit EKD-Amt und Leitung einer Landeskirche sowie einem theologisch gut gefüllten Rucksack ist vor allem die Fähigkeit gefragt, das rechte Wort zur rechten Zeit zu finden.

Was der neue Rat in Angriff nehmen will, dürfte sich erst in einigen Wochen oder Monaten klären - etwa in welchem Rahmen der Reformprozess, mit dem auf rückläufige Mitgliederzahlen und sinkende Finanzkraft der evangelischen Kirche reagiert wird, fortgesetzt wird. Und die jüngste Belastung der evangelisch-katholischen Beziehungen zeigte erneut, dass Ökumene in einem Land wie Deutschland immer ein Top-Thema ist. Dass mit dem klärenden Gespräch die ökumenische Verstimmung behoben wurde, könnte Ulm demonstrieren: Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, wird zur der Eröffnung der EKD-Synode erwartet.

epd/evangelisch.de