Machtkampf in der Bundesbank: Sarrazin verliert Ressort

Machtkampf in der Bundesbank: Sarrazin verliert Ressort
Als Konsequenz aus seinen umstrittenen Äußerungen muss Bundesbank-Vorstand Sarrazin das Ressort "Bargeld" abgeben. Ein Rücktritt scheint vom Tisch - die Krise der Notenbank aber bleibt.
13.10.2009
Von Marion Trimborn und Ruppert Mayr

In einer für die Bundesbank einmaligen Aktion entzog der Vorstand Thilo Sarrazin eines von drei Ressorts. Das teilte die Notenbank nach einer Vorstandssitzung am Dienstag in Frankfurt mit. Anders als erwartet behält der 64-jährige ehemalige Berliner Finanzsenator das Risiko-Controlling - das Management der Währungs- und Goldreserven - und ist weiterhin für die Informationstechnologie der Bundesbank verantwortlich. Die Neuverteilung der Aufgaben tritt laut Bundesbank mit sofortiger Wirkung in Kraft.

Bundesbank-Präsident Axel Weber konnte sich damit mit seinen Plänen für eine weitergehende Entmachtung Sarrazins im Vorstand nicht durchsetzen. Dabei geht es in der Affäre um Thilo Sarrazin längst nicht mehr nur um abfällige Äußerungen über Ausländer - obwohl diese für sich genommen große gesellschaftliche Diskussionen hervorgerufen haben (siehe auch die Positionen von Alfred Buß und Henryk M. Broder auf evangelisch.de). Es geht auch um eine tiefe Krise der Notenbank. Der Präsident Axel Weber, der als durchsetzungsstarker und machtbewusster Fachmann gilt, muss sich im Vorstand mit vielen Nicht-Fachleuten herumschlagen. Und Schuld daran ist auch die Politik.

Zu viele Politiker, zu wenige Experten

Die Bundesbank, einst ein Mythos und Bollwerk im Kampf um eine harte Währung, verliert an Ansehen. Nicht nur die Euro-Einführung hat die Bedeutung der Bundesbank, die Kompetenzen an die Europäische Zentralbank abgeben musste, geschmälert. In der Behörde dominieren heute Politiker wie Thilo Sarrazin. Es fehlen Experten, die mit Wissen und Leistung das Ansehen der Notenbank stärken könnten. "Die Besetzung von Vorstandsposten ist rein politisch und wird vom Bundesrat bestimmt - das ist unglücklich", sagt Professor Dirk Schiereck von der Technischen Universität Darmstadt.

Von Anfang an stand die Personalie Sarrazin unter keinem guten Stern. Weber ließ keinen Zweifel daran, dass er Sarrazin nicht im Vorstand haben wollte. Der ehemalige Berliner Finanzsenator galt als Enfant terrible - zu direkt, zu provokant, zu wenig Fachwissen, hieß es. Doch das Vorschlagsrecht für den vakanten Posten stand den Ländern Berlin und Brandenburg zu - Weber musste sich fügen. Nun hat die Notenbank dem unbequemen SPD-Politiker, der auf fünf Jahre bestellt wurde, Kompetenzen entzogen.

Mit Axel Weber und Thilo Sarrazin kabbeln sich zwei Vorständler, die mit einem Ticket der SPD in ihr Amt gekommen sind. Weber wurde noch unter Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) berufen. Rot-Grün wollte mit dem damaligen parteilosen renommierten Kölner Wirtschaftswissenschaftler und Regierungsberater Weber den unionsnahen starken Mann der Bundesbank, Jürgen Stark, als Präsident des Geldinstituts verhindern.

Webers Ambitionen vereitelt?

Trotz des Streits zweier "SPD-Leute" an der Spitze der seriösen Bundesbank ist die SPD auffällig ruhig. Das ist verständlich, weil sie in der Notenbank angesichts der Regierungskonstellationen im Bund und in den Ländern wohl so schnell keine Posten mehr zu vergeben hat. Vielmehr steht zu erwarten, dass die neuen Machthaber in Berlin, Union und FDP, über kurz oder lang Ansprüche anmelden werden - besonders wenn ihre Vorstellung verwirklicht werden soll, die Bankenaufsicht von der BaFin abzuziehen und ganz bei der Bundesbank zu konzentrieren. Der Spielraum für SPD-Leute in der Spitze der Bundesbank dürfte jedenfalls enger werden.

Weber hat einerseits seine eigene Position als Chef gestärkt, indem er den ungeliebten Sarrazin kaltstellt - zumal dieser schon Anfang nächsten Jahres 65 wird. Andererseits hat sein Ansehen Kratzer bekommen. "Wenn ihm Vorstandskollegen auf der Nase herumtanzen, kann er nichts tun", sagt Schiereck. "Das schwächt sein Ansehen als Zentralbanker enorm." Und es könnte Webers Ambitionen vereiteln: Der international anerkannte Experte für Geldpolitik wird als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Jean-Claude Trichet an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) gehandelt. Dieser tritt 2011 ab.

"Heiligenschein ist angekratzt"

Die Bundesbank will die Affäre nun schnell beenden, denn sie kommt zur Unzeit. "Der gute Ruf der Bundesbank ist dahin, ihr Heiligenschein ist angekratzt", sagt Bankenprofessor Thomas Hartmann- Wendels von der Universität. Ausgerechnet jetzt soll die Bundesbank mit der Bankenaufsicht neue Aufgaben übernehmen. Damit würde sie mächtiger, doch könnte ihre sorgsam gehütete Unabhängigkeit leiden, wenn sie hochpolitische Fragen entscheidet. Für Unmut sorgt auch eine Organisationsreform mit striktem Sparkurs, gegen den am Dienstag erstmals in der Geschichte der Bundesbank 1500 Mitarbeiter protestierten.

Nun sind sich Präsident und Vorstand Sarrazin in herzlicher Abneigung verbunden. Weber kann Sarrazin nicht rausschmeißen, weil er ihm schwerwiegende Verfehlungen nachweisen müsste und die Hürden dafür hoch sind. Sarrazin hat kaum noch etwas zu sagen. Dem Bundesbank-Vorstand droht eine Lähmung.

dpa