Hart aber fair: Kaum Faktencheck

Hart aber fair: Kaum Faktencheck
Hat Thilo Sarrazin mit seiner Türken-Schelte recht oder bediente er nur Vorurteile? Das war Thema bei "Hart aber fair" am Mittwochabend. Eine Antwort lieferte die Sendung nicht.
08.10.2009
Von Henrik Schmitz

So hart sei in seiner Sendung selten diskutiert worden, nicht einmal im Wahlkampf der vergangenen Wochen, sagte Moderator Frank Plasberg ziemlich zum Ende seiner "Hart aber fair"-Ausgabe zum Thema  "Nach Sarrazins Türken-Schelte: Was ist noch Klartext, was ist schon Vorurteil?". Aber irgendwie unterschied sich Plasbergs Wahrnehmung doch deutlich von der des Zuschauers, der zuvor eine weitgehend sachliche und wenig aufgeregte Debatte erlebt hatte. Ayten Kilicarslan vom türkisch-islamischen Verband DITIB, Matthias Matussek "Der Spiegel", Christian Ströbele (Grüne) ,Christina Köhler (CDU), und Oswald Metzger (früher Grüne, heute CDU) tauschten ihre Argumente ziemlich höflich aus. Nur im Publikum war etwas davon zu spüren, wie emotional das Thema letztlich ist.

Um es direkt zu sagen: Es war keine wirklich gelungene Ausgabe der Polit-Sendung, die ansonsten noch am ehesten dem Anspruch gerecht wird, Politikern wirklich auf den Zahn zu fühlen und dem Zuschauer Erkenntnisse jenseits von Politiker-Sprechblasen zu lieferrn. Doch Plasberg versäumte es, die selbst gewählte Frage zu beantworten, was an Sarrazins Aussagen noch Klartext war. Der berühmte Faktencheck fehlte. Leisten Türken wirklich nur einen wirtschaftlichen Beitrag als Gemüse- oder Obsthändler? Christian Ströbele immerhin verwies darauf, es gebe in Berlin 6.000 türkische Unternehmen mit immerhin 29.000 Arbeitsplätzen.

Und so dümpelte die Sendung mehr oder minder dahin und lieferte kaum neue Erkenntnisse. Oswald Metzger und Matthias Matussek übernahmen die Aufgabe, zu kritisieren, dass in Deutschland niemand seine Meinung sagen dürfe. "Man darf die Dinge in Deutschland nicht beim Namen nennen, vor allem wenn es um soziale Dinge geht", sagte Metzger, wobei der Berater der Arbeitgeber-Stiftung "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" wohl auch sich selbst meinte. Matthias Matussek wiederum verteidigte Sarrazins Aussagen als satirische Zuspitzungen, die erlaubt sein müssten. "In Deutschland gibt es eine Nervenschwäche, wenn es um akzentuierte Formulierungen geht", sagte er. Erstaunlicherweise wurde aber kaum darauf eingegangen, wie die Mechanismen der "Erregungsmachine" funktionieren. Warum stürzen sich die Medien auf Aussagen wie die von Sarrazin? Warum gibt es den Reflex, alles schnell zu skandalisieren? Vielleicht hätte ein Historiker, ein Medienwissenschaftler oder ein Psychologe der Sendung gut getan und hier Erhellendes liefern können.

Rhetorisch unterlegen

Etwas unbefriedigend war auch, dass Ayten Kilicarslan ihren Mitdiskutanten rhetorisch unterlegen war. Kilicarslan konnte kaum einen Gedanken zu Ende bringen, weil sie entweder durch Köhler oder Matussek oder aber Moderator Plasberg unterbrochen wurde. Dass Migranten nicht nur Täter sind, die sich nicht integrieren wollen und Gewalttaten verüben, sondern auch Opfer von Diskriminierung etwa durch Lehrer, ist zumindest diskussionswürdig. Umgekehrt konnte Kilicarslan allerdings auch nicht den Eindruck wiederlegen, Migranten und ihre Verbände nähmen den fehlenden Integrationswillen gerade der türkischen Gemeinschaft in Deutschland nicht allzu ernst.

Nervig waren in der Sendung auch die berühmten Einspieler, die ebenfalls wenig erhellten. Dass vor allem junge Türken einer Umfrage zufolge keine deutschen Ehepartner haben möchten, war dabei noch ein interessanter Fakt. Dass es etwa in Duisburg ganze Straßenzüge gibt, in denen Türken in türkischen Restaurants essen gehen können und sich von türkischen Ärzten behandeln lassen, trägt eher zur Verschleierung des Problems bei. In Düsseldorf etwa gibt es auch japanische Viertel, in denen Japaner nicht eine Silbe deutsch sprechen müssen. Und doch wirft niemand in Deutschland Japanern mangelnde Integration vor. Das Problem ist also offenbar vielschichtiger. Bei "Hart aber fair" kam man leider nicht auf den Kern. Weder auf den des Integrationsproblems, noch auf den der Debattenkultur in Deutschland.