Sumatra: Bangen um tausende Verschüttete

Sumatra: Bangen um tausende Verschüttete
Trümmer und Tote, so weit das Auge reicht: Das schwere Erdbeben vor der indonesischen Insel Sumatra hat möglicherweise tausende Menschenleben gefordert und weite Landstriche in Schutt und Asche gelegt. "Es sieht aus, als hätte jemand eine Atombombe hinter den Bergen abgeworfen" - so beschrieb es ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der das Erdbebengebiet am Donnerstag in einem Helikopter überflog.

Die Behörden gaben die Zahl der Toten 24 Stunden nach dem Beben der Stärke 7,6 mit mehr als 500 an. Mehr als 2000 Menschen wurden verletzt. Hunderte, vielleicht tausende wurden aber allein in der Großstadt Padang noch unter den Trümmern befürchtet, hieß es. Armee und Polizei waren mit Baggern und Presslufthämmern im Einsatz, um Trümmer beiseite zu räumen. Viele hundert Helfer gruben mit bloßen Händen, um nach Überlebenden zu suchen.

"Das Gebiet ist riesig, einige Gegenden sind völlig abgelegen", berichtete Bob McKerrow, der Delegationschef der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in Indonesien, im Gespräch mit der BBC. "Leichen liegen auf dem Boden, und Menschen laufen orientierungslos herum. Es sind die schlimmsten Zerstörungen, die unsere Mitarbeiter in den vergangenen 15 Jahren in Indonesien gesehen haben." Gesundheitsministerin Siti Fadilah Supari schloss nicht aus, dass die Folgen schlimmer sein könnten als beim Beben vor drei Jahren auf Java. Damals waren in Yogyakarta 5800 Menschen umgekommen und 150 000 Häuser zerstört worden.

Präsident Susilo Bambang Yudhoyono machte sich in Padang selbst ein Bild von der Zerstörung. "Wir dürfen das Desaster nicht unterschätzen", sagte er. "Die Opferzahlen werden noch steigen", sagte Novianto, ein Beamter im Krisenzentrum des Sozialministeriums. Die Katastrophenbehörde sprach von tausenden Verschütteten. Zehntausende Menschen wurden durch das Beben obdachlos.

Im Zentrum der Hafenstadt Padang sei die Hälfte der Gebäude zerstört, sagte Caritas-Mitarbeiter Fabian Tritschler. Im nördlichen Teil stünden sogar 80 bis 100 Prozent der Häuser nicht mehr. Auch das zentrale Krankenhaus ist schwer beschädigt. "Die Stadt ist flächendeckend zerstört. Das Ausmaß der Zerstörung wird mit jeder Stunde deutlicher." Caritas international zufolge sind auch in der Stadt Pariaman 70 bis 80 Prozent der Häuser eingestürzt.

Menschen wollen aus der Region flüchten

Am Flughafen von Padang warteten "unglaublich viele Menschen", die versuchten, die Region zu verlassen, berichtete Enda Balina von der Hilfsorganisation World Vision. Auch an den Tankstellen gebe es Gedränge, aber nicht genug Benzin. Auch die Infrastruktur sei schwer beschädigt, berichteten Augenzeugen: Zufahrtsstraßen wurden durch Erdrutsche verschüttet und sind unpassierbar, Brücken beschädigt und Abwasserkanäle und Wasserleitungen kaputt. Tausende Menschen verbrachten die Nacht im Freien, aus Angst vor Nachbeben. Eines erschütterte die Region am Donnerstagmorgen. Die Erdbebenwarte registrierte die Stärke 7. Das Epizentrum lag aber weiter südlich und hat keine weiteren Schäden verursacht. "Es brach Panik aus, aber das gestrige Beben war stärker", sagte Romi Suwanto, Sprecher der Verwaltung in Kerinci.

In Padang liefen die Rettungsarbeiten auf Hochtouren. Hunderte Soldaten und Polizisten waren im Einsatz. Aus einem dreistöckigen Schulgebäude zogen sie mehrere Leichen. Der Sender TV One zeigte ein anderes eingestürztes Schulgebäude. In den Räumen würden 40 Schüler vermutet, hieß es. Davor standen schockierte Eltern: "Ich bleibe hier, bis sie meine Tochter gefunden haben", sagte eine Frau weinend. Die 13-Jährige war am Mittwoch nicht nach Hause gekommen. Vor laufenden Fernsehkameras zogen Helfer andernorts eine schwer verletzte Frau unter einem Betonpfeiler hervor. Im eingestürzten Ambacang-Hotel wurden nach Angaben eines Hilfsdienstes noch bis zu 200 verschüttete Gäste vermutet. Auch Krankenhäuser waren schwer beschädigt. Die Behörden bauten ein Feldlazarett auf, um hunderte Verletzte zu versorgen.

Die Zentralregierung schickte zwei Transportflugzeuge mit Zelten, Medikamenten und Hilfspaketen aus Jakarta. Auch zahlreiche Hilfsorganisationen engagierten sich. Das Rote Kreuz hat mehrere hundert Mitarbeiter mobilisiert. Zahlreiche Mitgliedsorganisationen der "Aktion Deutschland Hilft" sind unterwegs ins Katastrophengebiet. Die deutsche Bundesregierung stellte eine Million Euro Soforthilfe für die Opfer zur Verfügung. Das Geld soll nach Angaben des Auswärtigen Amtes für Notunterkünfte, Nahrungsmittel und Trinkwasser verwendet werden. Nach Absprache mit dem Innenministerium soll auch ein Krisenteam des Technischen Hilfswerks (THW) ins Krisengebiet entsandt werden. Bereits im Einsatz war dort neben vielen anderen ein internationales Caritas-Team.

Tsunami macht Tausende obdachlos

Keine 24 Stunden vor dem ersten Beben auf Sumatra hatte ein Tsunami nach dem Stärke-8-Erdbeben auf Samoa mindestens 100 Menschenleben gefordert. Auf den Inseln in der Südsee wurden mehr als 7500 Menschen obdachlos.

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In der ehemaligen deutschen Kolonie West-Samoa besuchte Regierungschef Tuilaepa Sailele Malielegaoi am Donnerstag die betroffene Südküste. Dort hatten mehrere Flutwellen die kilometerlangen Strände überspült und mindestens 20 Dörfer und mehrere Ferienanlagen mitgerissen. Dort sowie in Amerikanisch-Samoa und hunderte Kilometer weiter südlich auf einer zu Tonga gehörenden Insel waren mindestens 114 Menschen ums Leben gekommen. Die Regierung von Samoa rief die Bevölkerung auf, einige der mehr als 6.000 Obdachlosen aufzunehmen.

Überlebende berichteten von der Wucht der Wassermassen. Ala Vena Ale sagte der Zeitung "New Zealand Herald", seine Tochter habe zusehen müssen, wie ihre drei Kinder im Alter von drei, vier und sieben Jahren am Strand in Lalomanu ins Meer gerissen wurden. Eine Tochter wurde gerettet und lag schwer verletzt im Krankenhaus. In demselben Dorf verlor Faletolu Senara Tiatia 30 Familienmitglieder, berichtete er der Zeitung "The Press".

Das Krankenhaus in der Hauptstadt Apia war vom Ansturm der Verletzten überfordert. Den Ärzten gingen nach Medienberichten die Blutkonserven aus. Das Land brauche dringend Nahrungsmittel, Trinkwasser, Zelte und Plastikplanen, sagte Regierungschef Tuilaepa Sailele Malielegaoi. Auf dem Flughafen trafen die ersten Maschinen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln aus Neuseeland und Australien ein. 32.000 Menschen brauchten Hilfe, hieß es. Auf Amerikanisch-Samoa trafen erste Hilfslieferungen aus Kalifornien ein.


Hilfswerke rufen zu Spenden für Erdbebenopfer auf

Eine Reihe von Organisationen bittet zugleich auch für die Opfer des Tsunami im Pazifik und des Wirbelsturms Ketsana auf den Philippinen und in Vietnam. Spendenkonten im Überblick (meist sind auch Online-Spenden möglich):

  • Diakonie Katastrophenhilfe: Kennwort "Erdbeben Indonesien", Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70 (www.diakonie-katastrophenhilfe.de)
  • Caritas international: Kennwort "Erdbeben Sumatra", Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00 (www.caritas-international.de)
  • Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00 (www.aerzte-ohne-grenzen.de)
  • UNICEF: "Nothilfe Asien/Pazifik", Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00 (www.unicef.de)
  • Deutsches Rotes Kreuz: Kennwort "Südostasien", Konto 41 41 41, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00 (www.drk.de)
  • Aktion Deutschland Hilft: Kennwort "Katastrophen Südostasien", Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 370 205 00)
dpa/epd