Debatte über Wahlrecht für Demenzkranke

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Debatte über Wahlrecht für Demenzkranke
Die steigende Zahl Demenzkranker in Deutschland führt zu einer Debatte über Änderungen am Wahlrecht.

Es sei "schwer zu erklären, warum jemand mit schwerster Demenz, der die eigenen Kinder nicht mehr erkennt, grundsätzlich sein Wahlrecht behält - das dann auch manches Mal von seinen Verwandten oder Betreuern für ihn ausgeübt wird", sagte der CDU-Politiker Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

###mehr-artikel### Rund 700.000 schwer Demenzkranke in Deutschland dürfen dem Bericht zufolge an der Europawahl teilnehmen, obwohl sie durch ihre Krankheit in der Regel nicht mehr selbst entscheiden könnten.

Etwa die Hälfte der 1,4 Millionen Demenzerkrankten könne nach Einschätzung von Wissenschaftlern eine Wahlentscheidung noch selbstständig treffen. "Bei schwerster Demenz ist die Wahlfähigkeit erloschen", sagte der Geronto-Psychiater Hans Gutzmann der Zeitung.

In Pflegeheimen entschieden mitunter Pfleger oder Heimleiter für die Demenzkranken. "Ich weiß von Kolleginnen, die die Wahl auszählen und berichten, dass aus den Pflegeheimen der Arbeiterwohlfahrt nur SPD-Stimmen kommen und aus den Caritas-Heimen nur CDU-Stimmen", sagte Angelika Graf, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft 60 plus der SPD.

Grüne: Ausschluss wäre Diskriminierung

Einige Politiker sehen dem Bericht zufolge eine Lösung darin, gesetzlich zu erlauben, das Wahlrecht an andere abzutreten. "Es spricht nichts dagegen, das Wahlrecht meinem Ehepartner, meinem Kind oder einer anderen Vertrauensperson für den Fall zu übertragen, dass ich nicht mehr entscheiden kann", sagte die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt (SPD). Nach Ansicht der rechtspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), solle geprüft werden, ob durch eine Art Vorsorgevollmacht "beizeiten festgelegt werden kann, durch wen und in welcher Weise der Stimmzettel für einen dementen Wahlberechtigten ausgefüllt werden soll".

Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg (CDU), lehnt diese Vorschläge ab. "Das Wahlrecht ist ein Recht, das nicht übertragen werden kann. Von einer Stellvertreterwahl oder einer Abtretung des Wahlrechts in einer Vorsorgevollmacht halte ich nichts", sagt Weinberg der Zeitung.

Die Grünen forderten, auch die seltenen Ausschlüsse vom Wahlrecht, die das Betreuungsrecht vorsieht, ganz abzuschaffen. "Demenzerkrankte vom Wahlrecht auszuschließen wäre eine klare Diskriminierung", sagte die behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Corinna Rüffer.