Todesforscher ermutigt zum Abschied am offenen Sarg

Todesforscher ermutigt zum Abschied am offenen Sarg
Der Bestatter und Todesforscher Joerg Vieweg (48) ermutigt zum Abschied am offenen Sarg.
06.05.2014
epd
Dieter Sell

Das sei auch dann möglich, wenn der Leichnam nach einem Unfall, Obduktionen, langjährigen Krankheiten oder einem Sturz aus großer Höhe zunächst entstellt sei, sagte Vieweg dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Durch eine Rekonstruktion ist es in 95 Prozent aller Fälle möglich, die Leiche aufzubahren."

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Der Experte hat unter anderen den Leichnam des ehemaligen Nationaltorhüters Robert Enke für den Abschied hergerichtet, nachdem sich der Sportler im November 2009 im Alter von 32 Jahren das Leben genommen hatte. Er wurde von einem Zug erfasst und tödlich verletzt. Vieweg wird bei der Bremer Kongressmesse "Leben und Tod", die am Donnerstag beginnt, zum Thema Rekonstruktion sprechen.

"Die Abschiedname am offenen Sarg ist umso wichtiger, je akuter, plötzlicher und je jünger ein Mensch gestorben ist", sagt der Thanatologe. Trauerpsychologisch sei es wichtig, den Leichnam noch einmal berühren zu können, um wirklich zu begreifen, dass der Mensch tot sei. "Noch vor 100 Jahren war das Abschiednehmen am offenen Sarg ein fester Bestandteil der Abschiedskultur." In der Nachkriegszeit sei dieses Ritual aus der Mode gekommen, obwohl es nachweislich helfe, den Toten gehenzulassen.

Nach den Worten des ausgebildeten Krankenpflegers und ehemaligen Notfall- und Rettungssanitäters sind es nicht immer dramatische Fälle, die er wieder rekonstruiert, um sie für eine Aufbahrung zu Hause, im Bestattungsinstitut oder in einer Kirche vorzubereiten. "Manchmal sind es lange und schwer erkrankte Personen, die beispielsweise aufgrund einer Chemotherapie oder einer Autoimmunerkrankung extrem stark verändert sind." Seinen Angaben zufolge gibt es in Deutschland etwa 120 Thanatopraktiker, die eine Aufbahrung vorbereiten können, etwa zwei Dutzend auch in schwierigen Fällen.

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"Oft hören wir den Ratschlag, als Angehöriger auf die offene Abschiednahme zu verzichten und lieber den Verstorbenen so in Erinnerung zu behalten, wie er im Leben war", sagte Vieweg. "Das ist aber nach psychologischen Untersuchungen nicht nur falsch, sondern kann sogar zu unüberwindbaren Trauerbarrieren führen."

Die Kongressmesse "Leben und Tod" ist am 8. und 9. Mai in Halle 6 der Messe Bremen täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.