Ehe-Führerschein: Mehr Vernunft statt Liebe?

Ein junges Paar küsst sich.
Foto: emoji/photocase
Gibt es eine eine Ehe-Garantie? Ein Vorbereitungsseminar will Verliebte auf das Wagnis Ehe vorbereiten.
Ehe-Führerschein: Mehr Vernunft statt Liebe?
Brauchen Paare einen Ehe-Vorbereitungskurs? Viele scheitern an der Fähigkeit, offen miteinander umzugehen, warnt Eheberater Franz Thurmaier. Journalistin Doris Burger hingegen fordert von den Verliebten Mut, im Leben Neues ohne Rücktrittsklausel zu wagen. Zwei Experten, zwei Meinungen zum so genannten Ehe-TÜV.
24.02.2014
Doris Burger, Dr. Franz Thurmaier

Pro: Eine Partnerschaft leben können, muss erst gelernt werden

"Wenn heute zwei Menschen eine Ehe miteinander eingehen, wissen sie zwar von vielen traurigen Beispielen aus ihrer Umgebung, dass feste Partnerschaften scheitern und dann viel Leid auslösen können und dies auch immer häufiger und immer schneller tun. Meist jedoch fehlt den Partnern das Bewusstsein, dass für den dauerhaften Erhalt ihrer Beziehung auch vorbeugende Arbeit notwendig ist. Doch wer will in der Freude auf ein unbeschwertes Leben zu zweit schon an so etwas denken?

'Wenn wir uns nur richtig lieben, kriegen wir das schon hin!' ist die immer noch vorherrschende Meinung. Eine Art 'Vorsorge' für die Beziehung ist da ebenso überflüssig wie unromantisch. Dabei wird leider übersehen, dass uns die Fähigkeit partnerschaftlich miteinander umzugehen nicht einfach so angeboren ist. Wie fast alles andere muss auch dies erst gelernt werden.

"Wie zufriedenstellend eine Beziehung erlebt wird, hängt davon ab, wie Paare miteinander sprechen"

In zahlreichen Studien zeigt sich, dass das Kommunikations- und Problemlöse­verhalten der Partner den größten Einfluss auf die Ehezufriedenheit haben. Auch bei anfänglich großer gegenseitiger Attraktion und Zuneigung scheitern immer noch zu viele Paare an der Fähigkeit, offen miteinander umgehen und aufeinander eingehen zu können. Gleichzeitig werden die Anforderungen an Kommunikationskompetenzen in Partnerschaft und Familie größer, da in einer komplexer werdenden Welt mehr Austausch und Abstimmung notwendig wird. Wünsche mitteilen, Meinungsverschiedenheiten klären, den Alltag gemeinsam verbringen – nichts geht, ohne miteinander zu reden. Wie zufriedenstellend eine Beziehung erlebt wird, hängt maßgeblich davon ab, wie Paare miteinander sprechen.

Der Lösungsansatz, den wir deshalb mit EPL (Ein Partnerschaftliches Lernprogramm) eingeschlagen haben, besteht aus einem präventiven Kommunikationstraining für Paare, eingebettet in die kirchlichen Organisationsstrukturen der Ehevorbereitung. Heiratswilligen oder jung verheirateten Paaren sollen frühzeitig Gesprächs- und Problemlösefertigkeiten vermittelt werden, mit deren Hilfe sie sich in ihrer Unterschiedlichkeit besser verständigen und ihre Konflikte, die im Verlauf einer Ehe unweigerlich auftreten werden, erfolgreicher lösen und damit ihre Beziehung befriedigender gestalten können. Die Paare lernen sich konstruktiv über die ihnen wichtigen Themen auszutauschen und gemein­same Lösungen zu finden. Durch diese formale Arbeit vermitteln unsere Programme wohlgemerkt keine Patentrezepte, wie Partnerschaft heute gelebt werden müsse, sondern die Fertigkeit zum Aushandeln beziehungsrelevanter Fragen.

"Welcher echte Abenteurer stürzt sich unvorbereitet in ein solches?"

Wissenschaftliche Begleitstudien zeigten einen langfristigen Lernerfolg im Gesprächsverhalten, eine stabilere Ehezufriedenheit und weniger Scheidungen. Trotz dieser optimalen Vorbereitung bleibt Ehe natürlich eine Herausforderung, ein Abenteuer für beide. Doch Hand aufs Herz: Welcher echte Abenteurer stürzt sich schon völlig unvorbereitet in ein solches? Doch wohl nur der Naivste."

Dr. Franz Thurmaier, Dipl. Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Ehe-, Familien- und Lebensberater, Supervisor, Paarkommunikationstrainer, leitet das Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie, eine Einrichtung der Erzdiözese München und Freising. Ein EPL-Kurs besteht aus sechs Einheiten von ca. 2,5 Stunden. Vier Paare werden von zwei Kursleitern begleitet. Wer nicht ein Trainingsprogramm besuchen will, kann zusammen mit dem Partner/der Partnerin auch eine  interaktive Paarkommunikations-DVDs anschauen.


 

Contra: Den Mutigen gehört die Welt!

"Bitte entfernen Sie die Folie, bevor Sie dieses Gericht in den Backofen schieben! – rät die Verpackung. 'Wollen Sie nicht eine Garantieverlängerung auf fünf Jahre dazu nehmen?', fragt der Verkäufer der neuen Waschmaschine. – Er scheint wenig Vertrauen in seine Geräte zu setzten, wenn er ihnen keine fünf Jahre klagloses Funktionieren zutraut. Und das Online-Portal für den Billigflug warnt: 'Es ist nicht empfehlenswert, den Flug ohne unser Versicherungspaket abzuschließen! Es könnten hohe Gebühren bei Umbuchung oder Rücktritt auf Sie zukommen!'

Nicht zu fassen, mit welcher Akribie Verbraucher heutzutage auf noch so unwahrscheinliche Risiken hingewiesen werden und gegen welche vermeintlichen Ausfälle sie sich versichern können. Die Schadensersatzprozesse aus den USA scheinen auch bei uns Wirkung zu zeigen ('Ziehen Sie diese Plastiktüte nicht über den Kopf!', 'Achtung, Ihr Heißgetränk könnte zu Verbrennungen führen!'). Wer daran verdient: Die Versicherungsbranche und ihre Vertreter, die sich inzwischen 'Berater" nennen, sowie ganze Herscharren von spezialisierten Anwälten.

"Zum Leben gehört der Mut, Risiken einzugehen"

Die Wankelmütigkeit und das Zaudern scheinen allerdings bis in den Kern unserer Seele Einzug gehalten zu haben: Keine Verabredung mehr ohne Hintertürchen ('Wir telefonieren uns dann nochmals zusammen'), keine Zusage ohne Rücktrittsklausel. Da muss die Ehe ja geradezu wie ein gigantisches Wagnis erscheinen, wie ein Trapezkunststück ohne Netz. Oder wie Bungee-Springen ohne Seil. 'Ja, ich will,' heißt unser Eheversprechen. – Ja ich will. Diesen einen Menschen. Mit ihm möchte ich mein Leben teilen. In guten wie in schlechten Tagen. Bis dass der Tod uns scheidet. Ja, das ist kühn. Das ist wahrhaft ein Zeugnis. Ein Bekenntnis für den anderen. Aber das ist nicht Kamikaze. Das ist das Leben. Und der Mut gehört dazu. Der Mut, Neues zu wagen. Der Mut, sich einzulassen. Der Mut, Risiken einzugehen.

Sobald ein Mensch erwachsen ist, darf er sich hierzulande frei für die Liebe entscheiden. Und damit frei für die Ehe. Dass er oder sie nicht aus einer Laune heraus heiratet, wird man unterstellen dürfen: 'Hochzeit to go' und pink gestrichene Hochzeitskapellen sind in Deutschland noch nicht populär. Zum Glück. Es braucht ein Aufgebot und Papiere, bei multinationalen Paaren noch etliche Dokumente zusätzlich, ebenso bei Geschiedenen. Da haben die Partner bereits gut nachgedacht.

"Die Ehe bleibt immer ein Wagnis"

Wer dazu kirchlich heiratet, feiert in aller Regel in großem Stil, schreibt Einladungslisten und Organigramme, bestellt Blumenschmuck und wählt Musik und Texte für die Zeremonie aus. Viele Paare organisieren ihre Hochzeit gemeinsam, nachdem sie bereits etliche Monate oder Jahre zusammen leben. Viele haben Kinder, ob gemeinsame oder aus früheren Beziehungen. Diese Menschen haben bereits Verantwortung übernommen und ihre Entscheidung getroffen. Und wenn sie – vielleicht als krönenden Abschluss – ihre Liebe besiegeln und offen bekunden wollen, sollten sie das frei tun können. Ohne zusätzlichen 'Ehe-Führerschein' oder Vorbereitungskurs. Es ist ihre Entscheidung.

Sollte hingegen ein junges Paar im ersten Überschwang sofort heiraten wollen, wird es im Bekanntenkreis schon ausreichend Mahner geben. Weitere Hürden von Seiten des Staates oder der Kirche braucht es wahrlich nicht. Denn ob mit und ohne Ehe-Vorbereitungsseminar, die Ehe bleibt immer ein Wagnis. Aber ohne Wagnis wird auch nichts gewonnen: Denn den Mutigen gehört die Welt."

Doris Burger ist Journalistin und Buchautorin und lebt heute in Radolfzell am Bodensee. Sie schreibt über ihre neue Wahlheimat ("Kleines Untersee-ABC", Husum-Verlag, 2013), über das Leben und die Liebe. Ihr "Handbuch für den guten Ehemann" ist 2008 im Fischer Taschenbuch-Verlag erscheinen. Sie ist seit 13 Jahren glücklich verheiratet.