Letzte Hoffnung Pferdeklappe

Petra Teegen mit zwei in der Pferdeklappe abgegebenen Ponys
Foto: dpa/Axel Heimken
Petra Teegen mit den Ponys "Beachboy" und "Pirat" vor der Pferdeklappe
Letzte Hoffnung Pferdeklappe
Pferde sind eine finanzielle Belastung. Besonders Tierarztkosten sind für viele Halter problematisch. Die Pferdeklappe bietet eine Lösung: Petra Teegen nimmt Tiere auf, die sich ihre Besitzer bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder nach einer Scheidung nicht mehr leisten können.

Am Morgen stand ein winziges Pony auf der Weide - "bildschön", schwärmt Petra Teegen. Bei ihr können überforderte Besitzer anonym ihr Pferd abgeben: Im Juli hat die 60-Jährige in Norderbrarup nahe der dänischen Grenze Deutschlands erste "Pferdeklappe" eröffnet. Seitdem kommen jeden Monat etwa zehn Pferde auf ihren Hof. Experten wie Tiermediziner Lutz Litzke von der Klinik für Pferde an der Gießener Universität halten die Initiative für eine "gute Sache". Denn die Ausgaben für Pferdehalter sind in den vergangenen Jahren gestiegen, besonders Tierarztkosten bringen viele schnell an den Rand der finanziellen Belastbarkeit.

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"Die meisten, die ihre Tiere hier abgeben, sind unverschuldet in eine Notsituation gekommen", sagt Petra Teegen, "zu jedem Pferd in Not gehört ein Mensch in Not." Und nicht jeder will unbedingt anonym bleiben. Teegen erzählt von Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit - und von Eltern, die das Pferd ihrer verstorbenen Tochter brachten. Eine junge Frau, schwer an Krebs erkrankt, musste letzte Dinge regeln und fuhr ihr Pferd nach Norderbrarup. "Hierher kommen Familien, die vor der Frage stehen: Kaufen wir Futter fürs Pferd oder Obst für die Kinder?", berichtet Teegen, die jahrelang als Krankenschwester in der Onkologie gearbeitet hat. "Pferde-Petra" hieß sie früher bei den Kollegen.

Seit langem schon nimmt sie auf ihrem Hof vernachlässigte Pferde auf. Früher waren es acht bis neun Tiere pro Jahr, dann kamen immer mehr. Um die Arbeit zu bewältigen, wurde dann ein Verein gegründet. Freunde helfen, wo sie können.

Allein im vergangenen November landeten 19 Tiere in der Pferdeklappe. Für sie sucht Teegen solvente neue Besitzer, mehr als 50 Pferde wurden bisher vermittelt. Der Preis - in jedem Fall ein Schnäppchen - berechnet sich nach der Zeit, die die Tiere in Norderbrarup verbrachten. "Alle einstigen Besitzer haben sicher vorher versucht, ihre Pferde zu verkaufen", schildert Teegen. Doch bestimmte Pferde - zu alt, zu jung, zu krank - könne man heute nicht einmal mehr verschenken.

Pferdebesitzer unterschätzen häufig die Tierarztkosten

Etwa eine Million Pferde gibt es in Deutschland. Die Zahl sei seit einigen Jahren gleichbleibend und habe offenbar ein "stabiles Tableau" erreicht, sagt Tiermediziner Litzke von der Klinik für Pferde an der Gießener Universität. Doch der Unterhalt wird teurer. In den vergangenen Jahren gab es einige Preiserhöhungen, wie Susanne Hennig von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung berichtet, "etwa bei der Mehrwertsteuer, bei Futter, Strom, Wasser und Ausrüstung". Einige Kommunen planten zudem eine Pferdesteuer, was der Verband als "existenzielle Gefahr" sieht. 

###mehr-links###Vor allem Tierarztkosten werden oft nicht eingeplant, wenn jemand sich ein Pferd kauft. Dabei kommen schnell ein paar hundert Euro zusammen. Mediziner Litzke geht durch den schönen alten Stall der Gießener Uniklinik. Hinter grünen Gitterstäben steht ein Schimmel, beide Vorderbeine dick mit Verbänden umwickelt. Er hat einen Abszess im Huf, braucht intensive Betreuung. Das Pferd steht auf einem speziellen Torfboden. "Eimertränke", "Kein Kraftfutter", warnen Schilder an der Tür.

In der Stallgasse umringen vier Studentinnen einen Fuchswallach. Sie haben seine blonde Mähne zu einem Zopf geflochten und kühlen Bauch und Beine mit einem Wasserschlauch. Das Pferd leidet seit Monaten an einer Fistel, die sich immer wieder entzündet. Die Tierärzte haben von der Seite her einen zweiten Zugang gelegt, ein "aufwendiger Fall", wie Litzke einräumt. Häufig kommen Pferde mit Koliken in die Klinik. Kosten der Operation: rund 3.000 Euro. Bei Komplikationen können es auch 10.000 Euro werden. Jedes Pferd besitzt einen Pass, in dem eingetragen wird, ob es am Lebensende zum Schlachter kommen kann.

Pferdeklappe in jedem Bundesland wünschenswert

In Deutschland sei die Bindung zum Pferd besonders emotional, sagt Litzke. "Die meisten Besitzer schließen von vornherein aus, dass das Pferd geschlachtet werden darf." Gerieten Menschen finanziell in Not, könne das Pferd dann zum Problem werden.

Petra Teegen hat den winzigen Mini-Shetty, der morgens auf ihrer Koppel stand, schnell vermittelt. Eigentlich müsste es in jedem Bundesland eine Pferdeklappe geben, fordert sie. Und appelliert: Eltern sollten ihrem Kind nicht unüberlegt ein eigenes Pferd kaufen. Eine Reitbeteiligung reiche auch.

Tiermediziner Litzke empfiehlt Haltern eine Pferde-Krankenversicherung, wie in anderen Ländern bereits üblich. Die Tiere kosten viel Geld - und viel Zeit. Der Professor besitzt deshalb kein eigenes Pferd. In seinem Büro steht - genügsam und pflegeleicht - nur ein buntes Holzpferd.