"Gaia" soll die Milchstraße kartografieren

Foto: dpa/European Space Agency, Esa
Eine Aufnahme von der European Space Agency (ESA): Sie zeigt "Gaia", der Satellit soll die Milchstraße katografieren.
"Gaia" soll die Milchstraße kartografieren
Am 19. Dezember 2013, kurz nach 10 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, Ortszeit 6:12 Uhr, schießt Rauch aus den Triebwerken der russischen Sojus-Rakete, die auf dem europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana steht. Nur Sekunden danach hebt sie ab und malt einen Feuerschweif in den dunklen Himmel über Südamerika. Der Start klappt problemlos, die Sojus ist unterwegs ins All. An Bord hat sie den Satelliten "Gaia", der in den nächsten fünf Jahren eine dreidimensionale Karte der Milchstraße erstellen soll.

Etwa eine Stunde zuvor steht der ehemalige deutsche Astronaut Thomas Reiter im Satellitenkontrollzentrum der European Space Agency (ESA) in Darmstadt. Er habe zwar schon eine Menge Starts miterlebt, sagt der heutige ESA-Direktor, aber er sei trotzdem aufgeregt. "Der Start und das Steuern eines Raumfahrzeugs wird niemals Routine sein."

Die europäischen Weltraumforscher haben große Erwartungen an "Gaia". In der griechischen Mythologie ist Gaia die Göttin der Erde, in der Sprache der Wissenschaftler ist es eine Abkürzung. "Globales Astrometrisches Interferometer für die Astrophysik" lautet "Gaias" Name ausgesprochen. Die ESA spricht von dem Satelliten als eine "digitale Weltraumkamera", die einen "galaktischen Zensus" durchführen soll.

"Gaia" liefert keine Bilder, sondern Messergebnisse

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"Gaia" liefert aber keine Bilder, sondern Messergebnisse - sehr präzise Messergebnisse. Der Erdtrabant nimmt in den kommenden fünf Jahren die Positionen von etwa einer Milliarde Sternen auf und bestimmt die Entfernungen zwischen ihnen. "Gaia" misst die Himmelskörper aus mehreren Positionen heraus. Die Entfernung zwischen je zwei Sonnen erscheint dadurch je nach Standort des Satelliten anders. "Das ist bloße Geometrie", erklärt Mark McCaughrean vom ESA-Wissenschaftsprogramm. Die Messgenauigkeit von "Gaia" sei enorm, sagt der Professor: "Damit könnten wir messen, wie schnell Ihre Haare wachsen."

Aus diesen Daten lassen sich die exakten Entfernungen der Sterne voneinander berechnen. Aus diesen wiederum gewinnt die ESA Erkenntnisse über die Vergangenheit und die Zukunft der Milchstraße. Außerdem hofft die europäische Weltraumorganisation, Tausende neuer Planeten außerhalb des Sonnensystems zu finden und mehr über die sogenannte Dunkle Materie zu erfahren. Über diese Materie ist bislang kaum etwas bekannt. Forscher sind sich aber sicher, dass sie den Großteil der gesamten Masse des Universums ausmacht.

"Wissenschaft und Religion beschreiben dieselbe Welt"

Sterne seien auch sehr wichtig für das Christentum, sagt der Theologe und Astronom Hubert Meisinger von der Evangelischen Akademie Frankfurt - man denke nur an den Stern von Bethlehem, der die Heiligen Drei Könige zum neugeborenen Jesus führte. Meisinger sieht aber noch mehr Berührungspunkte zwischen Theologie und Astronomie. "Wissenschaft und Religion beschreiben dieselbe Welt", sagt er: "Sie benutzen dazu nur andere Wege."

Gut eine halbe Stunde nach dem Start trennt sich die letzte Stufe der Rakete von dem Satelliten. Nun übernimmt das Kontrollzentrum der ESA, das European Space Operations Centre (ESOC), die Steuerung des Trabanten. "Gaia" ist nun unterwegs zum Beobachtungsplatz, der etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. An diesem Punkt - die Astronomen nennen ihn "Lagrange-Punkt L2" - heben sich die Anziehungskräfte von Erde und Sonne auf, so dass "Gaia" stabil auf seiner Umlaufbahn bleibt.

"Gaia" soll täglich etwa 40 Megabyte an Daten übermitteln. Am Ende der fünf Jahre werden die Daten, die der Satellit zur Erde gesendet haben wird, ungefähr 200.000 DVDs füllen. Deutschland unterstützt die Sternen-Mission mit rund 15 Millionen Euro. Das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtkosten.