Warten, bis der Weihnachtsmann sich selbst auflöst

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Warten, bis der Weihnachtsmann sich selbst auflöst
Sollen Kinder an himmlische Gabenbringer glauben?
Die Antwort von Kindern auf die Frage, wer denn nun die Geschenke zu Weihnachten bringt, kann Eltern in allergrößte Verlegenheit bringen. Denn die Sachlage ist kompliziert. Der Weihnachtsmann? Oder das Christkind, in Kooperation mit einer Heerschar himmlischer Helfer? Und was hat das Christkind mit dem Christuskind in der Krippe zu tun?

"Ich dachte, in den Familien, wo der Weihnachtsmann es nicht schafft, persönlich vorbeizukommen, da kommt eben das Christkind. So eine Mischung aus Engel und Jesuskind", erzählt Hannes (14). Als Siebenjähriger bekam er versehentlich ein Gespräch der Eltern zum Thema "Wer kriegt was?" mit und brach in Tränen aus. Unwiederbringlich vorbei, der wunderschöne Glaube an einen himmlischen Gabenbringer.

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"Bei uns kamen die Geschenke vom Weihnachtsmann. Ich habe mich irgendwann gewundert, dass er dieselben Schuhe trug wie unser Nachbar", erzählt Anne (18) und erinnert sich daran, dass sie diese Wahrheit nur sehr widerwillig realisiert habe. "Ich wollte so gerne an den Weihnachtsmann glauben." Allerdings sei sie froh gewesen, dass mit der "Entmythologisierung" des Weihnachtsmanns auch das elterliche Druckmittel "Wenn du nicht lieb bist, bringt der Weihnachtsmann nichts" wirkungslos wurde.

"Unsere Eltern haben uns nie vom Weihnachtsmann oder dem Christkind erzählt. Weihnachten feiern wir Geburtstag von Jesus. Und deshalb machen wir uns gegenseitig Geschenke", berichten Lukas (11) und Lisa (13). "Mir ist wichtig, dass der christliche Grund für Weihnachten deutlich bleibt", begründet ihre Mutter Bettina die Ehrlichkeit in der Familie. Sie fürchtet, dass mit einem Abschied vom Christkind auch der Abschied vom Glauben an das Christus-Kind eingeläutet werden könnte. Nach dem Motto: Wenn die Sache mit dem Weihnachtsmann oder dem Christkind nicht stimmt, dann taugt auch der Glaube an Jesus nicht fürs Erwachsenenleben.

Nesthäkchen Jakob (4) kam dennoch im letzten Jahr mit der Nachricht aus dem Kindergarten: "Der Weihnachtsmann bringt die Geschenke!" Was also tun? Mitspielen oder Aufklären?

Sehnsucht nach Geheimnis und Zauber

Knapp vier von fünf Deutschen (78 Prozent) haben laut einer Emnid-Umfrage nichts dagegen, ihre Kinder einen himmlischen Gabenbringer glauben zu lassen, wobei der Weihnachtsmann als Geschenkemacher weit vor dem Christkind liegt. Ist womöglich die Sehnsucht nach Geheimnissen, nach Spannung und Phantasie, nach dem Guten und Schönen bei Eltern genauso groß wie bei ihren Kindern? Oder ist die mediale Präsenz von Weihnachtsmann und Christkind, die als Werbeträger im Dienste von Kommerz und Konsum unterwegs sind, so übermächtig, dass sich weder Eltern noch Kinder entziehen können?

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Ein Blick zurück kann Klarheit ins weihnachtliche Gabenbringer-Durcheinander bringen. Das Christkind ist eine Erfindung von Martin Luther. Weil ihm die Heiligenverehrung ein Graus war, wollte der Reformator eine Gegenfigur zum Heiligen Nikolaus schaffen. In Erinnerung an den Bischof und Kinderfreund aus Myra brachte nämlich zu Luthers Zeiten der Nikolaus am 6. Dezember die Geschenke. Luther, der am den Brauch des Schenkens festhalten wollte, ersetzte den Nikolaus flugs durch das Christkind, das die Geschenke am 25. Dezember verteilte.

Das Christkind war für ihn allerdings keineswegs das Jesuskind. Wahrscheinlich ist, dass der Name auf Krippenspiele zurückgeht, in denen die "Christkinder" zur Krippe zogen und dem Christuskind Geschenke brachten. Bis um 1900 herum hielten viele Katholiken am Nikolaustag als Tag des Schenkens fest.

Dann aber wendete sich kurioserweise das Blatt: Die Katholiken übernahmen Luthers Christkind, während in evangelischen Familien der Weihnachtsmann Einzug hielt. Und woher kommt der? Nein, er ist nicht von dem amerikanischen Konzern erfunden worden, der weltweit koffeinhaltige Limonade verkauft - auch wenn das immer wieder behauptet wird. Im Rahmen einer Weihnachtswerbung verpasste der schwedische Maler Haddon Sundblom 1931 dem Weihnachtsmann lediglich den Rauschebart und das rot-weiße Outfit, das sich weltweit durchsetzte. Vorher trug der Weihnachtsmann mal einen blauen, mal einen braunen Mantel. Sogar in Knickerbockers und breitem Hut wurde er schon gesichtet.

Die Figur des Weihnachtsmanns selbst entstand aus der Verschmelzung der Nikolausfigur mit dem ihn begleitenden Knecht Ruprecht. Der wiederum stammt genau wie der schwarze Piet, der Julbock oder der Bullkater aus heidnischer Zeit, in der sie als dunkle Gestalten um die Jahreswende ihr Unwesen trieben.

Vom Christkind zum Christuskind

Was also tun mit der Sehnsucht der Kinder, die so gern ans Christkind oder den Weihnachtsmann glauben? In aller Regel kreiden sie es ihren Eltern nicht als "Lüge" an, wenn sie hinter die Wahrheit kommen. Manchmal spielen sie sogar gegen besseres Wissen noch mit und halten irgendwie augenzwinkernd am Weihnachtsmann fest, solange die Eltern an ihn zu glauben scheinen.

Der Theologe und Fachmann für Kindergottesdienstarbeit Rüdiger Maschwitz plädiert angesichts einer immer stärkeren Kommerzialisierung von Christkind und Weihnachtsmann dafür, den Glauben an Jesus wieder stärker zu betonen: Aus seiner Sicht sollten Eltern den Glauben an Christkind und Weihnachtsmann nicht aktiv fördern, sondern das Christus-Kind ins Zentrum rücken.

Dennoch plädiert Rüdiger Maschwitz nicht dafür, die "Ebene des Geheimnisvollen" allzu schnell rational aufzubrechen. "Antworten Sie ehrlich, wenn Kinder nach der Wahrheit fragen", ist sein Rat. Wo Eltern spüren, dass ihre Kinder gerne noch ein Weilchen an einen überirdischen Gabenbringer glauben wollen, weil er in unserer Kultur eben allgegenwärtig ist, sollten sie diese Phantasiegestalt "stehenlassen und warten, bis sie sich von selbst auflöst". Und die Begründung für die Geschenke zu Weihnachten kann dann lauten: "Zu Weihnachten feiern wir, dass Gott uns Christus geschenkt hat und deshalb machen wir uns auch gegenseitig eine Freude."