Union und SPD einigen sich über Pflege- und Gesundheitspolitik - Streit über Finanzierungsfragen beigelegt

Union und SPD einigen sich über Pflege- und Gesundheitspolitik - Streit über Finanzierungsfragen beigelegt
Überraschend unspektakulär sind die Koalitionsverhandlungen zu Gesundheit und Pflege verlaufen. Bei den am Ende noch strittigen Finanzierungsfragen hat sich weitgehend die Union durchgesetzt. Dafür kann die SPD den Sieg über die Kopfpauschale feiern.
22.11.2013
epd
Bettina Markmeyer

An der Gesundheitspolitik wird die Bildung einer großen Koalition nicht scheitern. Die beiden Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) gaben am Freitag in Berlin die Einigung in den noch strittigen Finanzierungsfragen bekannt. Sie war am Donnerstagabend im Beisein der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD erreicht worden.

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Spahn und Lauterbach zeigten sich zufrieden. "Wer hätte gedacht, dass Gesundheit und Pflege das Thema ist, bei dem es als erstes eine Einigung in allen Fragen gibt", sagte Spahn. Kranken- und Pflegekassen begrüßten die Einigung.

Der Kompromiss zeigt in den Details die Handschrift der Union. Er bringt aber auch die Abschaffung des pauschalen Zusatzbeitrags in der Krankenversicherung. Das sei für die SPD "von größter Bedeutung", sagte Lauterbach. "Das ist heute das historische Ende der Kopfpauschalen", betonte er - sofern es denn zur großen Koalition komme. Die Versicherten hätten in den kommenden Jahren mit pauschalen Zusatzbeiträgen von bis zu 30 Euro rechnen müssen. Dies hätte das Solidarsystem der Krankenversicherung weiter unterhöhlt.

"Ein wichtiges Signal für Arbeitsplätze"

Heute gibt es den Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent. Davon tragen die Arbeitgeber 7,3 Prozentpunkte, die Arbeitnehmer 0,9 Punkte mehr. Dieser Anteil geht künftig in einen prozentualen Zusatzbeitrag ein, dessen Höhe jede Kasse selbst festsetzt. Zu gleichen Teilen finanzieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann einen Beitragssatz von 14,6 Prozent; alles darüber hinaus tragen die Versicherten allein. Der Arbeitgeberanteil bleibt bei 7,3 Prozent festgeschrieben.

Aus Sicht der Union ist dies einer der zentralen Punkte. Spahn sagte, so werde erreicht, dass höhere Gesundheitskosten nicht automatisch die Arbeit verteuerten. Dies sei "ein wichtiges Signal für Arbeitsplätze".

DAK: Zehntausende Mitglieder durch Zusatzbeitrag verloren

Die Krankenkassen sind mit den Plänen der beiden großen Parteien einverstanden, weil sie ihnen wieder mehr Spielraum geben. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, sagte, die Kassen erhielten ihre Finanzautonomie zurück. In den vergangenen Jahren sei der Einheitsbeitrag gesetzlich festgelegt worden. Positiv sei auch, dass der aufwendige Sozialausgleich wegfalle.

Bisher vermeiden Kassen, den Zusatzbeitrag zu erheben, weil viele Versicherte dann kündigen. Einige Kassen wie die DAK haben zehntausende Mitglieder verloren, als sie zeitweilig eine Pauschale von acht Euro einzogen. Künftig unterscheiden sich die Kassen wieder - wie vor der Einführung des Einheitsbeitrages - durch ihren Beitragssatz. Das fällt aber nicht so auf, weil jeder Versicherte dann selbst ausrechnen muss, wieviel mehr oder weniger er bei einer Kasse zahlt.

Der Pflege-Bahr bleibt unangetastet

In der Pflegeversicherung wollen Union und SPD den Beitrag in zwei Stufen um 0,5 Prozentpunkte erhöhen, um Reformen zu finanzieren und Rücklagen zu bilden. Er liegt heute bei 2,05 Prozent (Kinderlose: 2,3 Prozent). Der für die Pflegeversicherung zuständige Vorstand im GKV-Spitzenverband, Gernot Kiefer, erklärte, die schrittweise Erhöhung sei vernünftig, insgesamt aber so hoch, dass "echte Verbesserungen in der Pflege" zu erwarten seien.

Spätestens Anfang 2015 soll die erste Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte erfolgen, was rund drei Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen für die Pflegekassen entspricht. Rund eine Milliarde Euro jährlich soll in eine Rücklage für die Jahre ab 2030 gehen, in denen mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen um eine Million auf 3,4 Millionen Menschen gerechnet wird. Zwei Milliarden Euro sollen in bessere Leistungen und mehr Personal gesteckt werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bemängelte, die Neuordnung der Pflegefinanzierung zugunsten der Demenzkranken sei aber auf das Ende der Wahlperiode verschoben worden.

In puncto Rücklage hat sich die Union durchgesetzt. "Wir denken an die Beitragszahler und die Pflegebedürftigen von morgen", sagte Spahn. Die SPD sieht demgegenüber keinen Sinn in einem keine Zinsen bringenden Kapitalstock, wenn Geld für mehr Pflegekräfte fehlt. Auch der Pflege-Bahr, den die SPD lieber heute als morgen wieder abschaffen würde, bleibt unangetastet.