Wulff und Hoeneß: Über die Verantwortung von Vorbildern

Foto: WDR/Oliver Ziebe
Zu Gast bei Frank Plasberg: Tom Junkersdorf (Magazin Closer€œ), Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung€œ), Petra Bahr (EKD), Wolfgang Kubicki (FDP) und Dirk Roߟmann (Unternehmer)
Wulff und Hoeneß: Über die Verantwortung von Vorbildern
Ein Präsident und ein Ex-Präsident machten in den vergangenen Tagen Schlagzeilen: Während Uli Hoeneß sich trotz Steuerhinterziehungen auf der Jahreshauptversammlung seines Fußballvereins feiern ließ, musste Christian Wulff auf die Anklagebank. Dem einen wird zugejubelt, der andere scheint verstoßen. "Urteilen wir mit zweierlei Maß?" fragte deshalb Frank Plasberg bei "hart aber fair". In der Sendung rief EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr Bayern-Chef Hoeneß zum Rücktritt auf.

Christian Wulff war 598 Tage Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Als die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen wegen Verdachts der Vorteilsnahme aufgenommen hatte, trat Wulff zurück. Von 35 Ermittlungsvorgängen ist am Ende einer geblieben. Wegen 753,90 Euro steht Christian Wulff jetzt vor Gericht.

Uli Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung des Fußball-Bundesligisten FC Bayern München am 13. November

Uli Hoeneß ist seit vier Jahren Präsident des FC Bayern München, seit März 2010 Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG. Im Januar 2013 zeigt er sich selbst wegen Steuerhinterziehung an. Seitdem soll er eine Steuerschuld von mindestens 3,2 Millionen Euro beglichen haben. Doch das reichte nicht aus. Ab dem kommenden März muss auch Hoeneß sich vor Gericht verantworten.

Doch während die Zustimmung für Christian Wulff in der Bevölkerung äußerst gering ist, scheint Hoeneß weiterhin großes Ansehen zu genießen. Der Aufsichtsrat des FC Bayern stützt ihn als Vorsitzenden, Fans und Aktionäre des Vereins feiern ihn bei der Jahreshauptversammlung.

"Stünde Wulff nicht vor Gericht, wäre er Chefankläger"

Dass Wulff und Hoeneß in der Öffentlichkeit so unterschiedlich bewertet werden, liege nicht nur an den unterschiedlichen Ämtern der beiden Männer, war sich die Runde bei Frank Plasberg einig. "Ich habe selten erlebt, dass ein Mensch so schutzlos war", sagte Hans Leyendecker, Investigativjournalist der "Süddeutschen Zeitung", über Christian Wulff. "Er hatte niemanden, der sich an seine Seite stellte." Uli Hoeneß hingegen bewege sich in einem funktionierendem Machtzentrum, sagte Tom Junkersdorf, Chefredakteur vom Peoples-Magazin "Closer". Hoeneß' mächtige Freunde ließen ihn nicht fallen, vermutete Junkersdorf.

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Uneins waren die Gäste, als es um die Frage ging, ob der Prozess gegen Christian Wulff angemessen sei. Die Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr, glaubt, dass Christian Wulff allein mit dem Prozess eine hohe Strafe zahle. "Er wird wissen, dass er sich selbst mit seinen Überzeugungen aus dem Auge verloren hat", sagte die Theologin. Hans Leyendecker vermutete, dass es im Fall von Christian Wulff keine Promibonus, sondern einen -malus gebe. Wäre Wulff keine Person der Zeitgeschichte, hätte es den Prozess nicht gegeben, ist Leyendecker überzeugt. Ganz anders urteilte Junkersdorf. Schuld an der Situation könne nur Christian Wulff selbst sein. "Stünde Wulff nicht vor Gericht, wäre er heute in der Rolle des Chefanklägers", sagte Junkersdorf.

Der Journalist erinnerte daran, als Christian Wulff früher oft den moralischen Zeigefinger gegen andere erhob – etwa gegen den ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski oder gegen seinen Amtsvorgänger Johannes Rau. Zu dessen Flugaffäre sagte Wulff damals: "Ich leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben."

Kubicki: Mir tut Hoeneß leid

Auch während dieser Diskussion fiel auf: Während Christian Wulff bei den meisten wenig Milde fand, wurde über Hoeneß lange Zeit kaum oder aber wohlwollend gesprochen. "Wenn die Selbstanzeige vollständig gewesen wäre, hätte keiner von der Steuerhinterziehung erfahren", sagt etwa FDP-Mann Wolfgang Kubicki. Hoeneß tue ihm sogar etwas leid. Das ist zu viel für Dirk Roßmann, Gründer der gleichnamigen Drogeriekette und Freund von Christian Wulff. "Mir tut er nicht leid. Die, die viel verdienen, müssen wissen, dass sie in der Pflicht sind", sagt er.

Christian Wulff mit David Groenewold am 14. November im Gericht in Hannover

Petra Bahr kritisierte Hoeneß dafür, dass er seine Rolle als Vorbild nicht ernst nehme, wenn er sich trotz Steuerhinterziehungen von den Aufsichtsratsmitgliedern feiern lasse. "Wäre er nicht ein tollerer Held, wenn er sagt: 'Ich hab ein Eigentor geschossen, ich gehe vom Platz'?" fragte die Theologin. Dass ein Rücktritt, wenn er schnell geschehe, einer Person nicht schade, sondern sogar die Glaubwürdigkeit erhöhe, habe man bei Margot Käßmann gesehen, sagte Bahr. Dabei komme es jedoch auch auf die Art des Rücktritts an, darauf, dass man es ehrlich meine. "Es macht einen großen Unterschied, ob ich mich entschuldige oder um Entschuldigung bitte", sagte sie.

"Jeder darf Fehler machen", ergänzte Bahr – es komme auf den Umgang damit an. Allerdings sieht sieht diejenigen in der Verantwortung, die öffentliche Ämter bekleiden. "Die Repräsentanten – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche oder im Sport – sorgen für Vertrauen." Einmal gebrochen, lasse es sich nicht mehr leicht herstellen, sagte die Theologin. Mehr noch als alle anderen Institutionen lebe die Kirche von diesem Vertrauen. Zuletzt habe man erlebt, wie dieses von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst missbraucht worden sei. Darunter würden nun beide christlichen Konfessionen in Deutschland leiden, weil das Verhalten des Bischofs die Menschen an alles erinnere, was sie an der Kirche störe.

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So wurde die Sendung am Ende eine Diskussion über die Verantwortung von Vorbildern in unserer Gesellschaft – dass es dabei nicht nur um Wulff und Hoeneß ging, war sicherlich eine gute Erweiterung. Spannend wäre jedoch auch ein Blick auf die Moralvorstellungen der Gesellschaft gewesen – warum lässt sie die einen fallen, die anderen jedoch feiert sie weiter?