Das letzte Geleit für die Einsamen

Foto: epd-bild/Uwe Lewandowski
Das letzte Geleit für die Einsamen
Ein Mensch soll nicht einfach von der Erde verschwinden, da sind sich die christlichen Kirchen und die freien Humanisten einig: In Osnabrück halten sie seit kurzem gemeinsam Trauerfeiern für Menschen, die ohne Kontakt zu Angehörigen sterben.
13.10.2013
epd
Martina Schwager

Josef Meier (Name geändert) hatte sechs Kinder. Doch zu seiner Bestattung auf dem Heger Friedhof in Osnabrück ist keines von ihnen gekommen. "Seit der Scheidung von seiner Frau vor rund 20 Jahren hatte er wohl keinen Kontakt mehr zu ihnen", sagt Rolf Brall vom Osnabrücker Ordnungsamt.

Als Josef Meier Ende September im Alter von 73 Jahren starb, gab es niemanden, der eine Bestattung organisiert und bezahlt hätte. Dennoch wird die Urne mit seiner Asche im Rahmen einer Trauerfeier beigesetzt - mit Blumenschmuck in der Friedhofskapelle, Trauerrednern und -gästen.

Menschen nicht einfach spurlos verschwinden lassen

In Osnabrück haben sich die christlichen Kirchen und die freien Humanisten zu einer sehr besonderen Initiative zusammengetan. Sie wollen Menschen, die allein waren, einen würdigen Abschied ermöglichen. Bei der gemeinsamen Trauerfeier solle niemand vereinnahmt werden, erläutert der Initiator, der evangelische Pastor Thomas Herzberg. Zur Bestattung von Josef Meier an einem sonnigen Morgen sind rund 60 Gäste gekommen. Sie wollen ihm und vier weiteren Männern das letzte Geleit geben. Einer der Verstorbenen gehörte keiner christlichen Kirche an.

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Bei der Trauerfeier erinnert Pastor Herzberg im Gebet daran, dass der Tod für Christen nicht das Ende bedeutet. Anders sieht es Heide Lewandowsky, Sprecherin der freien Humanisten und Trauerrednerin. Der Tod sei der Endpunkt des Lebens, sagt sie. Bei der gemeinsamen Trauerfeier dürfen die unvereinbaren Positionen nebeneinander stehen.

Die Feier wird zuvor in der Presse bekanntmacht, damit Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen und Verwandte sich verabschieden können, erläutert Herzberg: "Wir sind als Christen, aber auch als Bürger einer Stadt verpflichtet, Menschen nach ihrem Tod nicht einfach spurlos verschwinden zu lassen, sondern noch einmal an sie zu denken."   

Das gelte für Verstorbene, die tatsächlich keine Angehörigen hatten, sagt Rolf Brall. Häufig führten aber auch Familienstreitigkeiten, Scheidungen, psychische Erkrankungen, Alkoholsucht oder Schulden dazu, dass Menschen von Kindern, Geschwistern oder sogar Eltern verlassen werden.

"Dann kam er plötzlich nicht mehr"

Die Stadt organisiert und zahlt rund 80 sogenannte Ordnungsamtsbestattungen pro Jahr. Das sei immer dann der Fall, wenn innerhalb von acht Tagen keine bestattungspflichtigen Angehörigen ermittelt werden könnten, sagt Brall. Laut niedersächsischem Bestattungsgesetz muss ein Verstorbener innerhalb dieser Frist beerdigt oder eingeäschert werden. Innerhalb von 30 Tagen muss die Urne beigesetzt werden.

Wie in anderen Städten hat bis vor kurzem in Osnabrück noch ganz ohne Zeremonie ein Bestatter oder Friedhofsmitarbeiter die Urne in einem namentlich gekennzeichneten Grab unter Bäumen beigesetzt. Das ist jetzt anders.

Unter Orgelklängen ziehen die fünf Urnenträger aus. Gemeinsam mit der Trauergemeinde gehen sie den kurzen Weg zu einem Waldstück. Sie versenken die Urnen in der Erde vor einem Baum. Pastor Herzberg lädt ein, gemeinsam das "Vater Unser" zu sprechen. Ein Kneipenwirt ist froh, dass er auf diese Weise die Gelegenheit bekommt, sich von seinem Stammgast Josef Meier zu verabschieden: "Er war oft da und wir waren sogar befreundet. Dann kam er plötzlich nicht mehr."