Maybrit Illner: Fronten geklärt, Thema verfehlt

Abzug aus Afghanistan 2014: Das ist das Versprechen des Verteidigungsminsters, das er auch bei Maybrit Illner wiederholte. Die Diskussionsrunde blieb allerdings auf bekannte Positionen reduziert.
Maybrit Illner: Fronten geklärt, Thema verfehlt
"Hass auf den Westen: Was bringt der Kampf gegen den Terror?" Darüber wollte Maybrit Illner mit ihren Gästen sprechen. Stattdessen gab es eine aufgewärmte Diskussion über Afghanistan. Die wirklich spannenden Fragen, die die jüngsten tödlichen Proteste gegen das Mohammed-Schmähvideo aufwerfen, kamen nicht vor.
20.09.2012
evangelisch.de

Thema verfehlt wäre ein besserer Titel für Maybrit Illners Talkrunde am Donnerstag abend im ZDF gewesen als "Hass auf den Westen: Was bringt der Kampf gegen den Terror?". Denn die eingeladenen Talkgäste verhedderten sich im Thema Afghanistan und hatten wenig Neues beizutragen. (Eingeladen waren: Friedensaktivistin Inge Jens, Schauspieler Til Schweiger, "Zeit"-Journalist Bernd Ulrich, Linkspartei-Vize Jan van Aken und Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere, dazu Tino Käßner, kriegsversehrter Afghanistan-Veteran).

Das sieht dann so aus: Til Schweiger und der Bundesverteidigungsminister stehen auf der Seite eines Einsatzes, der aus einer wichtigen Bündnisverpflichtung entstanden ist und in dem die Soldaten tun, was sie können, um ein Mindestmaß an Sicherheit dort zu garantieren. Auf der anderen Seite positionieren sich die Friedensaktivistin Jens und der Linke van Aken, die darauf pochen, dass der Einsatz von Militär noch nie Frieden geschaffen habe und das auch in Afghanistan nicht bewirkt.

Dazwischen versucht der gut informierte Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der Zeit, mit Ausgewogenheit die Debatte zu bereichern. Leider ist Ausgewogenheit in so einer Talkshow kein Anstoß zu einer interessanten, informierten Debatte, sondern alle nicken zustimmend und ziehen sich dann wieder auf ihre Position zurück.

"Böse Sachen muss man bekämpfen"

Kostprobe gefällig? "Ein Kriegseinatz kann gerechtfertigt sein, um ein größeres Übel abzuwehren," sagt de Maiziere, oder in den Worten Til Schweigers: "Keiner in der Runde will Krieg, aber wenn die anderen böse Sachen machen, dann muss man die bekämpfen." So einfach kann man es sich nicht machen, meint Ulrich: Afghanistan sei ein Versuch gewesen, und zwar ein gescheiterter (dem widerspricht der Minister pflichtgemäß). Aber ohne die Leistungen der Soldaten hätte diese Erkenntnis nicht gefunden werden können.

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Das respektiert auch Friedensaktivistin Inge Jens, die den einzelnen Soldaten nicht den Respekt abspricht, aber sagt: Deren Opfer lohnt sich nicht im Verhältnis zum Ergebnis, während der Linken-Vize sagt: Wir hätten gar nicht in Afghanistan sein sollen.

Zu der ganz wichtigen Frage, wie wir als Gesellschaft mit unseren Soldaten umgehen, verliert die Runde kaum ein Wort. Mit Ex-Soldat Tino Käßner, der noch zu friedlicheren Zeiten (2004) in Afghanistan sein Bein verlor, war immerhin ein guter Gesprächspartner da. Drei Touren in Afghanistan hat er hinter sich, ist gerade über 30, hat ein Bein verloren und ist kriegsversehrter Veteran. Seine Sicht ist die eines Berufssoldaten: Was wir machen, ist Befehl und Pflicht, und wir hätten gern mehr Anerkennung für unseren Einsatz – unabhängig davon, ob man mit dem Bundeswehreinsatz einverstanden ist oder nicht. Leider hatte das auch nichts mit dem Titelthema der Sendung zu tun.

Die wichtigen aktuellen Fragen werden ausgespart

Beim Thema Rüstungsexport beharken sich zumindest die Politiker untereinander: Der Minister wehrt die Vorwürfe ab, deutsche Waffen würden an Terroristen geliefert, und auch keine 400 Panzer an Saudi-Arabien, auch wenn das "kein demokratisches Land" ist. Linken-Vize van Anken erinnert daran, dass aber tatsächlich deutsche Waffen und -Lizenzen an Saudi-Arabien geliefert werden. Stimmt, sagt de Maiziere, aber Saudi-Arabien ist ja ein guter Verbündeter im "Kampf gegen den Terror".

Und damit kommt ganz zum Schluss der unspannenden Diskussion zumindest das Titelthema noch mal wieder. Aber ob der im Titel postulierte Hass wirklich flächendeckend ist, wie wir als Gesellschaft darauf reagieren sollten oder können, und ob und wie Terrorismus erfolgreich zu verhindern ist, das wird bei Maybrit Illner nicht diskutiert. "Kampf gegen den Terror" heißt "Afghanistaneinsatz", und da sind die Fronten der Debatte klar.

Die Ausgangsfrage, was das alles bringt, bleibt unbeantwortet. Vielleicht wird erst die Geschichte zeigen, was passiert, wenn Afghanistan sich wieder selbst überlassen wird. Aber mit der Schlussfolgerung hätte man sich diese Talkrunde mit Maybrit Illner wirklich sparen können.