Politik uneins über Armutsbericht

Politik uneins über Armutsbericht
In der Debatte um die Vermögensverteilung in Deutschland hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen neue Abgaben ausgesprochen. Sie sagte in einem Interview des Fernsehsenders SAT 1 am Donnerstag: "Ich halte von Vermögensabgaben nichts." Davon könnten auch viele mittelständische Unternehmen betroffen sein. Diese Firmen seien aber das Rückgrat Deutschlands und sie wolle auf gar keinen Fall, dass solche Unternehmen das Land verlassen, sagte Merkel.

Die zehn Prozent der Wohlhabendsten in Deutschland zahlten 55 Prozent der gesamten Steuern, sagte die Kanzlerin. Dieses Geld werde für Bildung und Infrastruktur gebraucht: "Das heißt, wir müssen das sehr sensibel sehen."

Merkel stützt mit ihren Äußerungen die Position von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der einem Bericht des in Düsseldorf erscheinenden "Handelsblatts" zufolge den neuen Armut- und Reichtumsbericht des Bundesarbeitsministeriums nicht mittragen will. Der Wirtschaftsminister kritisierte, der Bericht aus dem Ministerium von Ursula von der Leyen (CDU) nehme die jüngsten Daten über die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung zum Anlass, neue staatliche Eingriffe zu fordern. Von der Leyen wies das zurück. Die Opposition kritisierte den Umgang mit den Ergebnissen des Berichts.

Kluft zwischen arm und reich wächst

Merkel ging ebenfalls auf den 4. Armut- und Reichtumsbericht ein, der am Montag an die Ministerien zur Abstimmung verschickt worden war. Sie räumte ein, dass der Abstand zwischen den Ärmsten und den Reichen gewachsen sei. Insgesamt stehe die Gesellschaft aber besser da, sagte sie dem Sender SAT 1. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken, ebenso die Jugendarbeitslosigkeit. Die Zahl der Kinder, die von Hartz-IV-Leistungen leben, habe abgenommen, sagte Merkel.

Von der Leyens Ministerium hatte zuvor den Vorwurf zurückgewiesen, im neuen Armuts- und Reichtumsbericht höhere Steuern für Reiche zu verlangen. Es gebe in dem noch unveröffentlichten Bericht "keinerlei Hinweise auf neue Umverteilungen über das Steuersystem", erklärte das Ministerium. Es gehe um freiwilliges, finanzielles Engagement für die Allgemeinheit in Form von Spenden und Stiftungen, nicht um Zwangsmaßnahmen. Die Aussagen aus dem Bericht auf Steuern zu beziehen, sei "konstruiert", hieß es weiter.

Dem 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zufolge hat sich das Privatvermögen in den vergangenen 20 Jahren auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt und weiter konzentriert. Nach den vorab bekanntgewordenen Zahlen verfügen zehn Prozent der Bevölkerung über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Dagegen kommen 50 Prozent der Bürger nur auf einen Anteil von einem Prozent. Dies hatte die Debatte um eine stärkere steuerliche Belastung von Reichen wieder entfacht.