Zwischen Mitleid und Integration

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Zwischen Mitleid und Integration
Papst-Äußerungen beleben kirchliche Diskussion über Homosexualität
Ist es eine Kursänderung oder nur eine neue Tonlage? Die Aussagen von Papst Franziskus zur Homosexualität werden von katholischen Reformkräften begrüßt - werfen aber auch Fragen auf.

Mit seinen jüngsten Äußerungen auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien hat Papst Franziskus für Aufsehen gesorgt. Über einen Homosexuellen, der Gott suche und guten Willens sei, könne er nicht den Stab brechen, sagte er nach Angaben von Radio Vatikan vor Journalisten. Er habe kein Problem damit, wenn jemand eine Neigung zur Homosexualität habe, wird Franziskus zudem von der US-amerikanischen Zeitschrift "National Catholic Reporter" zitiert: "Wer bin ich denn, um über jemanden zu urteilen, der Gott in wahrhaftem Glauben sucht."

###mehr-artikel###Die katholische Lehre wendet sich allerdings bereits seit langem gegen eine Diskriminierung von Homosexuellen. Man müsse gleichgeschlechtlich orientierten Menschen mit Achtung und Takt begegnen, allerdings auch mit "Mitleid", heißt es im katholischen Weltkatechismus. Dort steht allerdings auch, homosexuelle Handlungen seien "in sich nicht in Ordnung" und "in keinem Fall zu billigen", weil sie gegen das natürliche Gesetz der Weitergabe des Lebens verstoßen. Homosexuelle Menschen seien daher zur Keuschheit gerufen.

Katholische Reformbewegungen werben seit Jahren für eine umfassend positive Bewertung auch der praktizierten gleichgeschlechtlichen Liebe durch die römisch-katholische Kirchenlehre. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) begrüßt daher die jüngsten Aussagen des Papstes über Lesben und Schwule. In "erfrischender Offenheit und mit verständlichen Worten" spreche er über Homosexualität, so HuK-Sprecher Markus Gutfleisch. "Stagnation und kirchenpolitischer Rückschritt" brächen langsam auf. Zugleich kritisierte Gutfleisch, dass das Kirchenoberhaupt immer noch Lesben, Schwule und Bisexuelle ausgrenze. "Liebe, Achtung und Fürsorge, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt werden, verdienen den Respekt der Kirche.“

"Zu wenige gehen mit ihm"

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht in den jüngsten Äußerungen von Franziskus ein Hoffnungszeichen. Der neu eröffnete Freiraum für den Dialog müsse aber auch genutzt werden, sagte Christian Weisner von der KirchenVolksBewegung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihm mache "momentan Sorge, dass wir alle auf Franziskus starren und noch zu wenige mitgehen", sagte er mit Blick auf die restliche Kirchenleitung.

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wertet die Äußerungen von Franziskus als Signal für eine neue Gesprächskultur in der katholischen Kirche. Zwar dürfe man vom Papst keine theologische Revolution erwarten, sagte ZdK-Präsident Alois Glück am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei auch nicht der Kern seiner Mission. Franziskus "enttabuisiert allerdings Themen, die man in unserer Kirche oft verdrängt hat, er tritt für eine angstfreie Kommunikation in der Kirche ein". Franziskus spreche alle Menschen an, die Gott suchen oder auf "der Suche nach Gott unterwegs sind", auch wenn er in der Sache nichts revolutionär Neues im Hinblick auf die Homosexualität gesagt habe, fügte Glück hinzu.

Anglikanische Kirche vor der Spaltung

Der Streit über den Umgang mit homosexuellen Christen führt in den Kirchen weltweit - nicht nur in der katholischen - immer wieder zu Konflikten. Der Anglikanischen Kirche droht deswegen die Spaltung. Auch der Weltkirchenrat versucht seit Jahren zwischen seinen liberalen - meist evangelischen - und konservativen - meist orthodoxen - Mitgliedskirchen zu vermitteln.

"Wenn jemand homosexuell ist und den Herrn sucht, wer bin ich, über ihn zu urteilen?" Die Äußerungen von Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien sorgten für Schlagzeilen.

Selbst in liberalen westlichen Kirchen ist der Streit um den Umgang mit der Homosexualität Dauerthema. So wird das im Juni veröffentlichte Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Ehe und Familie von konservativen Protestanten kritisiert. Es entwerte die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau und belaste die Ökumene, hieß es. In der 160-seitigen Orientierungshilfe fordert die EKD, alle Familienformen zu stärken, und schließt dabei auch homosexuelle Partnerschaften ein. Homosexualität sei weder Krankheit noch Sünde, betonte einer der Mitautoren, der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung. 

"Schändliche Leidenschaften"

In der Bibel wird Homosexualität eindeutig verurteilt. Im ersten Kapitel des Römerbriefs heißt es: "Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften (...) desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben." Theologen betonen heute, dass die biblischen Autoren aufgrund der Zeitumstände und der Kenntnisse geurteilt haben, die ihnen damals zur Verfügung standen. In biblischen Texten werde homosexuelles Verhalten ausschließlich als Element des religiös Fremden und Bedrohlichen gesehen, nicht aber als Lebensform von Menschen, die sich bewusst zum christlichen Glauben bekennen.