Zu Hause, im Zug oder doch am Bürotisch

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Büroarbeit auf der grünen Wiese: Immer mehr Unternehmen bieten ihren Arbeitnehmern die Chance, von zu Hause und unterwegs aus zu arbeiten.
Zu Hause, im Zug oder doch am Bürotisch
Mit einem mobilen Arbeitsplatz lassen sich Beruf und Privatleben besser vereinen. Ein Drittel aller Berufstätigen macht den Job regelmäßig außerhalb des Büros. Tendenz: steigend. Über die Chancen und Risiken eines mobilen Arbeitsstils.
06.08.2013
epd
Miriam Bunjes

"Wir wollen das Können unser Mitarbeiter im Betrieb behalten, auch wenn sich ihre Situation etwa durch Kinder oder Pflegefälle verändert", sagt Valerie Dollinger, Sprecherin der Daimler AG. Rund 166.000 Mitarbeiter sind bei dem Konzern in Deutschland beschäftigt, von zu Hause oder unterwegs aus arbeiten seit den 80er Jahren viele von ihnen.

Das Unternehmen führt keine Statistik über mobile Arbeitsplätze. "Die Mitarbeiter sprechen das mit ihren Führungskräften ab", sagt Dollinger. "Es geht um die Ergebnisse und nicht um den Ort und die Uhrzeiten, in denen sie erbracht werden." Diese Flexibilität motiviert, hat die Daimler AG beobachtet. "Wir sehen nur positive Effekte", sagt Dollinger. "Die Mitarbeiter sind motivierter und liefern gute Ergebnisse."

Yahoo lässt wieder im Firmenbüro arbeiten

Beim US-Internetriesen Yahoo war das wohl anders: Seit Juni sitzen alle Home-Office-Arbeiter wieder im Firmenbüro, verordnete Yahoo-Chefin Marissa Mayer im Februar. Die Zusammenarbeit sei nur in einem gemeinsamen Büro möglich. Wem das nicht passe, der solle kündigen.

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"Die Vorgänge bei Yahoo zeigen einen firmenspezifischen Strategiewechsel und keinen Trend weg vom mobilen Arbeiten", betont Stephan Pfisterer vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom): "Mit einem flexiblen Arbeitsort lassen sich Beruf und Privatleben besser vereinbaren, während die Unternehmer ihr Personal stärker an sich binden - im Idealfall." Tatsächlich zeigt eine aktuelle Bitkom-Studie: Ein Drittel aller deutschen Berufstätigen arbeitet regelmäßig außerhalb der Firma. Und nur 25 Prozent arbeiten ausschließlich dort.

Gefahr auf der Karriereleiter übersehen zu werden

Es gibt auch Risiken für beide Parteien: Schlechte Absprachen zwischen Mitarbeitern, die eben nicht mehr ein Zimmer teilen. Chefs, die von ihren mobilen Mitarbeitern 24 Stunden Verfügbarkeit erwarten. Mitarbeiter, die sich von Hausarbeit ablenken lassen. "Unternehmen brauchen einen anderen Führungsstil, da die Kommunikation im Betrieb anders organisiert werden muss", sagt Pfisterer.

"Arbeitnehmer im Home Office müssen auf ihr Zeitmanagement achten und auch darauf, dass sie im Betrieb so sichtbar bleiben, dass sie nicht auf der Karriereleiter übersehen werden." Immer "on" müsse keiner sein, "auch die Verfügbarkeit muss abgesprochen werden und Arbeitnehmer müssen sich selber bremsen und nächtliche Mails eben am nächsten Tag beantworten."

Home Office ist familien- und umweltfreundlich

Den Trend zum Arbeiten von zu Hause oder unterwegs aus hält auch Arbeitspsychologe Thomas Rigotti von der Universität Mainz für unumkehrbar. "Die Menschen wollen keine starren Arbeitszeiten oder -orte mehr", sagt er. "Warum auch? Es gibt positive ökologische Effekte, weil überflüssige Fahrwege gespart werden. Es ist familienfreundlicher und technisch immer besser möglich." Mails können auch vom Zug aus oder auf dem Kinderspielplatz geschrieben werden.

Solche flexiblen Arbeitsorte sind für viele Branchen und Tätigkeiten geeignet. "Nur direkte Dienstleistungen wie in der Gastronomie oder im Handwerk sind ortsgebunden, aber selbst dort kann die Buchhaltung zu Hause gemacht werden."

Selbständigkeit und Vertrauen sind oberstes Gebot

Ausschließlich zu Hause zu arbeiten, isoliere den Arbeitenden jedoch und könne auch der Karriere schaden. "Neue Ideen entstehen auch eher gemeinsam", weiß Rigotti. Gemischte Arbeitsortmodelle seien deshalb häufiger vertreten als ausschließliche Heimarbeit.

"Die Arbeitswelt verändert sich durch die technische Möglichkeit des mobilen Arbeitens schon seit Jahren", sagt der Trierer Soziologe Michael Jäckel. "Es geht zunehmend weniger darum, den Arbeitsprozess am Unternehmenssitz in festen Arbeitszeiten zu kontrollieren, es geht um Ergebniskontrolle." So entstehe eine andere Unternehmenskultur: Mehr Vertrauen vom Unternehmen, mehr Selbstständigkeit bei den Angestellten. "Unternehmen können so Büroflächen sparen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern."