Expertin: Journalisten müssen sich in psychisch Kranke einfühlen

Expertin: Journalisten müssen sich in psychisch Kranke einfühlen
Journalisten wissen nach Ansicht von Betroffenen oft zu wenig über psychische Krankheiten. Im schlimmsten Fall könnten Journalisten mit unsensiblen Fragen eine Krankheit verschlimmern, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, Beate Lisofsky, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Medienvertreter sollten sich in psychisch Kranke einfühlen und ihnen Respekt entgegenbringen", forderte sie.
22.07.2013
epd
Jana Hofmann

Auch Gesunden falle es schwer, in der Öffentlichkeit über Persönliches zu sprechen. "Psychisch Kranke sind noch verletzbarer", erklärte die ehemalige Journalistin. Betroffene und ihre Angehörige hätten häufig Hemmungen, von ihren Problemen zu erzählen. Dabei sei das der einzige Weg, aufzuklären. "Viele wissen nicht, was eine Psychiatrie ist. Manche Journalisten haben noch das Bild von der Irrenanstalt im Kopf", sagte sie. Die über die Medien verbreiteten Vorurteile erschwerten die Behandlung von Kranken. "Sie fragen sich dann: Werde ich in der Psychiatrie gefesselt? Rennen da nur Irre rum?", sagte Lisofsky, die auch den Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) vertritt.

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Journalisten konzentrierten sich oft nur auf negative Fälle. Es komme vor, dass jemand während einer psychotischen Wahnvorstellung eine Straftat begehe. "Dann steht in der Zeitung: 'Psychisch Kranker erschießt Frau und drei Kinder'", sagte Lisofsky. Beim Leser bleibe hängen, dass psychische Krankheiten mit Gewalt zu tun hätten. Sie forderte deshalb, bei aktueller Berichterstattung jeweils zu hinterfragen, ob die Krankheit relevant ist. Zudem müssten auch Erfolgsgeschichten publik werden. "Es gibt viele Menschen, die mit ihrer psychischen Erkrankung gewachsen sind", sagte die Expertin.

Im Interview mit Betroffenen rät Lisofsky Journalisten, sich Zeit zu nehmen und auf Fragen und Ängste einzugehen. "Journalisten sollten nicht zum Coming Out überreden", sagte sie. Dann müsse der Name unkenntlich gemacht werden. Wenn Kranke verlangten, ihre Zitate vor der Veröffentlichung zu sehen, bedeute das nicht, dass sie dem Journalisten den Artikel diktieren wollten. "Sie fühlen sich oft nicht richtig verstanden," erklärte die Expertin.

Es sei wichtig, Betroffene nicht auf ihre Krankheit zu reduzieren. "Von 'der Depressiven' oder 'dem Schizophrenen' zu sprechen ist diskriminierend", kritisierte Lisofsky. In der Szene werde oft der neutralere Begriff des Betroffenen gewählt. Wenn es um medizinische Behandlung gehe, könne man auch Patient schreiben. Im Zweifel rät sie, den Gesprächspartner zu fragen, wie er bezeichnet werden möchte.