Lammert will sorgfältige Debatte über Beschneidungen

Lammert will sorgfältige Debatte über Beschneidungen
Bundestagspräsident Lammert nennt das Vorgehen des Parlaments zur Regelung religiös motivierter Beschneidungen "sensibel und zielführend". Vizepräsident Göring-Eckardt wünscht sich am Ende eine breite Mehrheit für ein entsprechendes Gesetz.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verteidigt das Vorgehen des Parlaments, um religiös motivierte Beschneidungen in Deutschland zu regeln. "Bundestag und Bundesregierung wollen die Klärung einer bislang rechtlichen Grauzone sensibel und zielführend möglich machen", schreibt Lammert in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Samstagsausgabe). Eine sorgfältige Auseinandersetzung "müssen wir uns allerdings zumuten".

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Lammerts Stellvertreterin an der Spitze des Parlaments, Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, sagte der "Bild am Sonntag", sie wünsche sich eine breite Mehrheit für ein Gesetz, dass die religiöse Beschneidung erlaubt. Beschneidung sei das Zeichen für Juden und Muslime, dass sie zu ihrer Religionsgemeinschaft gehören. Für ein Zusammenleben mit Juden und Muslimen gehöre die Akzeptanz der Beschneidung dazu, sagte Göring-Eckardt, die als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorsteht.

Der Katholik Lammert schreibt in der "Süddeutschen Zeitung", die Bundesregierung sei vom Parlament aufgefordert worden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sowohl das Kindeswohl als auch die Religionsfreiheit sowie das Recht der Eltern auf Erziehung berücksichtigen soll. Ziel sei es, religiöse Traditionen und Rituale im Rahmen der Rechtsordnung zu ermöglichen. "Niemand kann also ernsthaft behaupten, der Deutsche Bundestag wolle eine notwendige Debatte vorschnell beenden oder eine notwendige rechtliche Klarstellung verzögern", schreibt Lammert.

Zweifel und Resignation ernst nehmen

In einem im Juni veröffentlichten Urteil des Landgerichts Köln war die religiös motivierte Beschneidung von minderjährigen Jungen als Körperverletzung gewertet worden, was bei Juden wie Muslimen auf scharfe Kritik stieß. Göring-Eckardt sagte, sie sei über das Urteil erschrocken, weil die die Sorge habe, dass sich Juden in Deutschland nicht willkommen fühlen könnten. Zugleich äußerte sie Verständnis für Gegner der Beschneidung: "Ich kann verstehen, dass Menschen darüber diskutieren wollen, wie es den Kindern bei der Beschneidung geht. Es gehört zur Demokratie, dass man solche Fragen debattieren kann."

Der CDU-Politiker Lammert wandte sich gegen Äußerungen von Charlotte Knobloch, die in der Beschneidungsdebatte den Fortbestand jüdischen Lebens in Deutschland infrage gestellt sieht. "Ich frage mich ernsthaft, ob dieses Land uns noch haben will", schrieb die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland Anfang des Monats ebenfalls in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Die Juden in Deutschland seien in einer "Situation, wie wir sie seit 1945 hierzulande nicht erlebt haben".

Solche Gefühle des Zweifels und der Resignation sollte ernst genommen werden, argumentiert Lammert. Doch seien keine Zweifel an dem Bemühen des Staates begründet, dem jüdischen Glauben rechtlich wie faktisch Raum zu seiner vollen Entfaltung zu geben: "Öffentlich gelebte jüdische Religion und Kultur soll selbstverständlicher Teil des Alltags in unserem Land sein."