Von Lammwurst, Klosterhühnern und Dinkelschrot

Legen Klosterhühner glückliche Eier?
Foto: DiewildeLucie/photocase
Legen Klosterhühner glückliche Eier?
Von Lammwurst, Klosterhühnern und Dinkelschrot
Lebensmittel aus klösterlicher Produktion und Nachhaltigkeit
In Berlin läuft zur Zeit die Grüne Woche, bei der sich alles um Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion dreht. Nicht nur die Kanzlerin geht hier gerne auf Schlemmertour. Wir fragen nach: Gibt es auch "christliche" Lebensmittel? Und was macht das "Christliche" aus, wenn Lebensmittel traditionell in Klöstern und von Ordensgemeinschaften produziert und vermarktet werden?
24.01.2013
evangelisch.de

Heimischen Wein, aus dem Saale-Unstrut-Anbaugebiet, kann man auf der Grünen Woche in Berlin zur Zeit probieren: in Halle 23 am Stand des Weinguts Kloster Pforta. Das wirbt mit der Erfahrung aus über 850 Jahrgängen. Gepflanzt wurden die ersten Reben von Zisterziensermönchen, mittlerweile ist Pforta aber ein Landesweingut. Auch die meisten Klosterbrauereien und –brennereien, die sich in den Berliner Ausstellungshallen präsentieren, sind nicht mehr in Ordenshand, sondern Familienbetriebe oder Privatunternehmen.

Nichtsdestotrotz gibt es auch noch viele Nahrungs- und Genussmittel, die durchaus von christlichen Gemeinschaften produziert werden. Das wohl bekannteste Beispiel ist da das Bier aus dem bayerischen Kloster Andechs mit seiner Klosterbrauerei. Das Kloster Wöltingerode in Niedersachsen brennt eigene Spirituosen, die Barmherzigen Schwestern aus München betreiben die Adelholzener Alpenquellen und vermarkten Mineralwasser und Softdrinks und das Klostergut Scheyern in Oberbayern betreibt einen Klosterforst und Fischteiche. Besonders vielseitig ist die Benediktinerabtei Neresheim und das zugehörige Klostergut. Dort wird eine ganze Reihe von Lebensmitteln produziert: Saisongemüse und Obst, das im Klostergarten von Mitarbeitern der Abtei von Hand angebaut und kultiviert wird, frische Eier von "Klosterhühnern" aus Bodenhaltung, gefüttert mit klostereigenem Getreideschrot, Bauernbratwürste und andere Fleisch- und Wurstspezialitäten, zubereitet von Benediktinermönchen in der klostereigenen Metzgerei und immer freitags Hefezopf und Dinkelbrot nach alten Rezepten des Bruders Pankratz aus der Klosterbäckerei. Schließlich schreibt schon die Benediktinerin Hildegard von Bingen: "Dinkel ist das beste Getreide. Es verschafft dem, der es isst, ein rechtes Fleisch und bereitet ihm ein gutes Blut. Die Seele des Menschen macht es froh und voll Heiterkeit."

Schon Hildegard von Bingen lobte das Dinkelkorn (Foto: boing/photocase)

Außerdem im Angebot: Klosterhonig, Rapsöl und Obstessig. Alle diese hochwertigen Produkte werden allerdings nicht auf der Grünen Woche beworben - und das hat einen Grund: Hier wird nicht nur nachhaltig produziert, sondern auch vertrieben. Und das heißt, dass die Lebensmittel entweder in der Küche des klostereigenen Tagungshauses oder der Gaststätte des Hospizes verarbeitet werden oder im angegliederten "Klostergutladen" von Roswitha und Ulrich Streif verkauft werden. In einigen Fällen wird auch mit regionalen Anbietern zusammengearbeitet: Die Klostereier werden zusätzlich von einem regionalen Familienbetrieb zu den beliebten "Neresheimer Klosternudeln" verarbeitet.

Klosterprodukte auf der Erfolgswelle

Dass so etwas durchaus ein Erfolgsrezept zu sein scheint, ließ sich schon vor einiger Zeit dem Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entnehmen, als man dort titelte: "Im Klosterladen brummt es". Als Kunden wurden dort vor allem Angehörige der gut betuchten "Toskana-Fraktion" ausgemacht, die von der neuen "Wertewelle" in die Klosterläden getrieben würden und den Aufpreis von 20 bis 30 Prozent "schulterzuckend in Kauf" nehmen würden. Tatsächlich ist der Edel-Shop "Manufactum" bei weitem nicht der Einzige, der "Gutes aus Klöstern" anbietet, auch diverse Online-Shops und –Supermärkte vertreiben erfolgreich Produkte unter dem "Kloster"-Label.

Dabei laufen die Kunden durchaus Gefahr, nicht ganz das zu bekommen, was sie eigentlich vermuten. Denn der Begriff "Kloster" ist nicht rechtlich geschützt. Darauf weist die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hin: "Das Prädikat "Kloster" sagt nichts Genaues darüber aus, wie ein Lebensmittel hergestellt wird. Einen Hinweis gibt nur der Blick auf das Etikett: Stehen dort nur Zutaten, die bei solchen Produkten erwartet werden?" Findet man dort Substanzen und Zusatzstoffe, die eher bei der großindustriellen Produktion vermutet werden, sollte man nicht unbedingt von einer Ordensherkunft ausgehen, meint die Verbraucherzentrale.

Die Schöpfung als Geschenk Gottes

Denn bei den meisten klösterlichen Betrieben entspringt die Art der Lebensmittelerzeugung einer tiefen christlichen Überzeugung, wie sie im Schöpfungspsalm 104, 13f dargelegt ist - der Überzeugung von der Schöpfung als Geschenk Gottes: "Du feuchtest die Berge von obenher; du machst das Land voll Früchte, die du schaffest; du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde bringest, und dass der Wein erfreue des Menschen Herz, dass seine Gestalt schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke." Damit einher geht die Überzeugung, dass die "das Leben spendenden Mittel" einen respektvollen Umgang erfordern und gleichsam "Heilmittel" sind. Die Klosterheilkunde der Ordensleute beruhte daher seit dem frühen Mittelalter auf dem Gedanken der Krankheits-Vorbeugung durch eine gesunde, richtige Ernährung. Ein Gedanke, der gerade heute wieder "modern" erscheint, wenn zum Beispiel die Publikation "freundin wellfit" den "Gesundheits-Geheimnissen aus dem Kloster" einen ganzen Artikel widmet. In diesem geht es eben genau um eine Ernährung, die an klösterliche Traditionen anknüpft: Regional, saisonal, vollwertig, fleischarm und mit viel Zeit zubereitet und genossen.

Ein Blick in die Metzgerei des Klosters Plankstetten (Foto: pr)

Der Respekt vor Lebensmitteln als Gottesgeschenk allerdings zeigt sich zuallererst in dem Versuch, besonders nachhaltig zu produzieren. Ein sehr anschauliches Beispiel liefert hier die Benediktinerabtei Plankstetten im Sulztal. Auf den 120 Hektar landwirtschaftlichen Ländereien begann vor 20 Jahren die Umstellung auf eine ökologische und ganzheitliche Wirtschaftsweise. Das heißt für die Ordensgemeinschaft und ihre Mitarbeiter: Bewusster Umgang mit Energie, nachhaltige Kreislaufwirtschaft, regionale Wertschöpfung, natürliche Wachstumsgrenzen und schließlich auch weitgehende Autarkie. Das zugehörige Klostergut Staudenhof betreibt Mutterkuhhaltung im offenen Vorderfrontstall, sechsjährige Fruchtfolge mit regelmäßigem Brachejahr auf den Feldern, kultivierte Streuobstwiesen und dezentrale Energie- und Wassernutzung – und ist damit ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausgewiesener „Demonstrationsbetrieb ökologischer Landbau“. Außerdem wird die Zusammenarbeit mit den Bio-Landwirten aus der Umgebung großgeschrieben. Und auch hier herrscht diese besondere Einstellung der Schöpfung gegenüber, wie der landwirtschaftliche Leiter, Frater Richard, der EKD erzählt: "Man muss achtsam und demütig sein, wir Menschen werden nur beschenkt." Das zeigt sich auch, wenn er sagt: "Ich habe gemerkt, dass immer genügend wächst. Man muss nur geduldig mit der Natur sein."

Dabei berufen sich die Benediktinermönche auf ihren Ordensgründer, der schließlich einen Lebensstil lehrte, der sich mit dem zufriedengibt, was eine Region bietet und das Gegebene optimal nutzt: "Das Kloster soll, wenn möglich, so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters befindet und die verschiedenen Arten des Handwerks dort ausgeübt werden können“, sagt die Benediktsregel, Kapitel 66. Und in der  Abtei Plankstetten setzen die Mönche das entsprechend um, wenn sie sagen: "Durch den Glauben an Gott zum ökologischen Handeln. Und damit Gottes Schöpfung ehren. Das sind die  Eckpfeiler unseres benediktinischen Lebens. So sollen Benediktiner-Mönche zeitlebens an einem Ort bleiben - in "ihrem" Kloster. Und sie sollen von Ihrer Hände Arbeit leben. Denn Arbeit ist für den Heiligen Benedikt eine Form des Gebets. So preisen wir im Rhythmus von Beten und Arbeiten den Schöpfer und sein Werk: einerseits im gemeinsamen Lobgesang - andererseits, indem wir im Einklang mit der Natur wirtschaften, um die Schöpfung zu bewahren. Das ist unser Auftrag und unsere Bestimmung." Das angestrebte Ergebnis schließlich umschreibt der Begriff "terra benedictina“, also gesegnete Erde bzw. Landschaft.

Apfelsaft und Umweltbildung

Aber es gibt auch evangelische Orden, Bruder- und Schwesternschaften und Kommunitäten, die nachhaltig wirtschaften. So verkauft zum Beispiel das Kloster Loccum seine Karpfen aus der acht Hektar großen Teichwirtschaft direkt auf dem örtlichen Markt. Ein besonders spannendes Beispiel ist das Kloster Gnadenthal im Taunus, südlich von Limburg, das von der überkonfessionellen Jesus-Bruderschaft betrieben wird. Das ehemalige Zisterzienserkloster existierte bis 1936 als staatliches Hofgut, in den 70er Jahren begann dann die Jesus-Bruderschaft, das Klostergebäude wieder zu nutzen und umliegende Bauernhöfe zu kaufen. So ist Gnadenthal heute ein eigenes kleines "Klosterdorf", in dem nicht nur Mitglieder der Kommunität leben, sondern wo sich "geistliche" und "weltliche" Bereiche verbinden und verzahnen. Und auch hier wird aus christlicher Überzeugung heraus nachhaltig gewirtschaftet. So heißt es auf der Website der Kommunität: "Unser zertifizierter Biolandbetrieb mit Getreideanbau, Milchkühen, Schafen und ###mehr-links### Streuobstwiesen ist für uns mehr als ein Erwerbsbetrieb: In bewusster Hinwendung zur Schöpfung sorgen wir für eine ökologische Landschaftspflege." Und direkt daneben steht ein Auszug aus dem Sonnengesang des Franz von Assisi: "Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns ernährt und lenkt und die vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter." Zu den Früchten, die das Hofgut Gnadenthal hervorbringt, gehören außer Milch und Getreide zum Beispiel auch Apfelsaft, Lammfleisch und –wurst und sogar Schaffelle – alles bio, versteht sich. Nicht weniger als sieben verschiedene Auszeichnungen und Preise hat Gnadenthal in den letzten 20 Jahren für sein Engagement bekommen. Und das liegt nicht zuletzt auch an noch einem weiteren Schwerpunkt: der Umweltbildung. Den Mitgliedern der Gemeinschaft ist das Weitergeben ihres Wissens und ihrer Überzeugungen über die Zusammenhänge zwischen Schöpfung, Wirtschaften und Konsum besonders wichtig. Eigens dafür haben sie den "Nehemia-Hof", ein spezielles Jugend- und Familiengästehaus eingerichtet, das Schulkassen, Jugendgruppen und Konfirmanden offen steht, aber auch eigene thematische Freizeiten und Programme anbietet.

In eine ähnliche Richtung geht auch die Aktion "Gemeinsam unterwegs – Für eine lebenswerte Welt" des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt": Unter diesem Motto laden evangelische Frauenklöster und Stifte ein, vor Ort zu entdecken, wie vielfältig Nachhaltigkeit sein kann. Denn auch hier wird die Nachfolge Christi nicht zuletzt als Umsetzen eines nachhaltigen Lebensstils im Sinne eines sorgsamen Umgangs mit der Schöpfung, einer Einbindung in die regionale Wirtschaft und einer weitgehenden Konsum- und Besitzbeschränkung verstanden. So heißt es in der Aktionsbeschreibung: "Mit den Menschen, die zu uns kommen, teilen wir die Schönheit und Stille – und die Sehnsucht, sie zu bewahren. Wir möchten daher einfache Wege zeigen, sich für ein gutes Klima und die Menschen, die heute schon unter dem Wandel leiden, zu engagieren: aus Liebe zum Leben!"

Neue Wirtschaftszweige

Um das umzusetzen, gehört in letzter Konsequenz übrigens auch die Konzentration auf einen Wirtschaftszweig dazu, der auf den ersten Blick für Ordensgemeinschaften eher ungewöhnlich erscheint: Nicht nur Bücher, Kunstwerke und Bildung gehören zu den klösterlichen Wirtschaftszweigen außerhalb der Lebensmittelproduktion, sondern neuerdings auch Energie. So versorgt sich die Abtei Münsterschwarzach nicht nur seit einiger Zeit komplett selbst mit Energie aus regenerativen Quellen, sondern erzeugt sogar noch einen Überschuss von derzeit über 500.000 kWh an Ökostrom. Ein Modell, das Schule machen könnte…